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Glanz&Elend Literatur und Zeitkritik |
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Die
neue amerikanische Rechte
Es sind sechs Personen, die dem aktuellen US-amerikanischen Präsidenten die
Hoffnung geben im November wiedergewählt zu werden: Mitt Romney, Ron Paul, Jon
Huntsman, Rick Perry, Newt Gingrich, Rick Santorum, Michelle Bachmann. Als Europäer begegnet man der Tea Party mit ungläubigem Kopfschütteln. Denn was sich hinter dieser weißen, nationalistischen und erzkonservativen Strömung in den USA verbirgt, lässt sich in die bundesrepublikanischen Maßstäbe nur schwer übersetzen. Vielleicht nur so viel: Der rechte Flügel der CSU hätte keine Chance, sich der Bewegung anzuschließen. Er wäre viel zu weit links. Für ihre Recherche, so schreibt die Autorin, hat sie mehr als 12.000 Meilen in den USA zurückgelegt. Vom deindustrialisierten Norden über das Heartland in den Süden über Texas an die Westküste der Staaten. Sie besuchte öffentliche Veranstaltungen der Tea Party und sprach mit Unterstützern, Aktivisten wie mit den entscheidenden Köpfen der Bewegung. Sie identifiziert die Frontfrauen und -männer, das Netzwerk von Journalisten, Internetsitebetreibern und Bloggern, die Ideengeber und die Finanziers. Herausgekommen ist eine exzellent verfasste, gleichzeitig aber eine desillusionierende Zustandsbeschreibung der USA. Desillusionierend deshalb, weil die Werte, für die die USA so bewundert werden, Toleranz, Freiheit, Demokratie, abgeräumt werden. Zum Vorschein kommt eine bigotte, engstirnige, provinzielle, sozialdarwinistische und wissenschaftsfeindliche Haltung. Die Tea Partier sind das andere weiße, das hässliche Amerika. Dabei ist es gar nicht so einfach, den Kern der Tea Party zu beschreiben. Denn diese Bewegung bringt viele, auch sich widersprechende Positionen zusammen. Da gibt es antisemitische und pro-israelische Strömungen, da sind die intellektuellen Neocons, die es mit einer eher anti-intellektuellen Grundströmung der Bewegung zu tun haben, Isolationisten treffen auf Interventionisten, Libertäre auf Sozialkonservative, Marktradikale auf Wallstreet-Hasser, sie vereinigt Verschwörungstheoretiker, Rassisten und Apokalyptiker, Homophobe und Islamfresser. Die Autorin beschreibt das Wesen der Tea Party folgendermaßen: „Die Tea Party begann als Protestbewegung gegen Milliardensubventionen für Banken, hohe Steuern und hohe Staatsschulden und in Sorge um eine schwierige Ökonomie. Mittlerweile hat sie sich als Partei gegen hispanische Immigranten und affirmative action, also Bevorzugung von ethnischen Minderheiten auf den Universitäten und dem Arbeitsmarkt, etabliert, sie ist gegen Abtreibung und Schwulenehe, für Sozialabbau, Bürgerkriegsrevisionismus und Kirchenbesuch. Und letztendlich geht es ihren Mitgliedern darum, einen ungeliebten schwarzen Präsidenten aus dem Amt zu kegeln, einen, der intellektuell, fremd und ausländisch wirkt.“ Vielleicht ist es das, was die Tea Party am ehesten auch als weiße Bewegung definiert, nämlich der unterschwellige rassistische Hass auf „Barack Hussein Hitler“. Dies deutet an, mit welchen gesellschaftlichen Veränderungen die USA konfrontiert ist. Leider geht Eva Schweitzer den gesellschaftspolitischen Fragen kaum nach. Auf welchen soziologischen Resonanzraum trifft die Tea Party? Woher kommt der Hass der Weißen? Lässt sich der drohende bzw. gefühlte soziale Abstieg, das wohl treibende politische Gefühl, mit harten Fakten auch belegen? Warum tritt er gerade in den letzten Jahren so augenscheinlich vor Augen? Ist Präsident Barack Obamas der einzige Auslöser? Welches Erbe hat die Präsidentschaft von George W. Bush hinterlassen? Welche Folgen hat 9/11 und das panische Jahrzehnt des War on Terror? Vielleicht ist dies auch zu viel verlangt für ein Buch, das im besten Sinne als Reportage, als Reisebericht zu fassen ist. Zwei Fragen bleiben aber zu beantworten. Die eine betrifft die neuen Medien. Die Autorin beschreibt treffend die verschiedensten Internetseiten und charakterisiert die politischen Blogger. Herauskommt das Bild des World Wide Webs als Jahrmarkt ideologischer Eitelkeiten. Die Gefahr ist offensichtlich, dass das Netz immer mehr zu einer Plattform ideologischer Positionen ausgebaut wird, das sich ständig in Überbietungsszenarien ergeht. Im Web geht es immer noch ein bisschen radikaler und extremistischer. Damit stellt sich zum anderen auch die Frage, wie stark denn diese Strömung in der Realität ist. Die ersten zwei Vorwahlen der Republikaner in Iowa und New Hampshire haben eben keinen der natürlichen Bewerber der Tea Party nach vorne gebracht. Die Tea Partier zählen Mitt Romney als Mormone explizit nicht als einen der ihren, obwohl er ständig versucht, einer von ihnen zu sein. Dennoch scheint er der einzige zu sein, der Präsident Obama aufgrund seiner Wirtschaftskompetenz und seiner moderaten politischen Positionen gefährlich werden könnte.
Strategisch hat sich die Tea Party in diesem Wahlkampf sehr ungeschickt
angestellt. Statt auf einen Kandidaten bzw. eine Kandidatin zu setzen, hat sie
es zugelassen, dass mittelmäßige und eitle Männer versucht haben, die Welle zu
reiten. Zum Glück für Mitt Romney. Es ist aber auch augenscheinlich, dass die
Tea Party die Republikaner in eine Richtung zieht, die der Partei langfristig
die politische Mehrheitsfähigkeit kosten wird. Auch Romney wird als
Präsidentschaftskandidat sich dem Druck der Bewegung beugen und einen Tea
Partier als Running Mate wählen müssen. Ob er damit in der Mitte der
US-amerikanischen Gesellschaft, die ethnisch und gesellschaftlich immer
heterogener wird, mehrheitsfähig bleibt, scheint fraglich. Eines ist gewiss: Das
soziologische Milieu der Tea Party wird an Bedeutung verlieren, schon aus
demographischen Gründen. Vielleicht ist dies die tröstliche Botschaft: Das
hässliche weiße Amerika wird an Bedeutung verlieren, es wird sich, so befürchte
ich aber nach der Lektüre von „Die weiße Wut“, aber in Zukunft weiter
radikalisieren. Dieses Buch ist allen dringend zur Lektüre empfohlen, die die
Präsidentschaftswahlen in den USA besser verstehen wollen. Michael Knoll |
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