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Schmidt, Steinbrück
Gelegentlich beweist der Weltgeist Sinn für Ironie. So als er Helmut Schmidt und
Peer Steinbrück ein wenig die Partie vermasselte.
»Zug um Zug«
heißt der Titel
des gemeinsamen Buches, Zug um Zug soll es gehen: die Inthronisation des Enkels,
des Kanzlerkandidaten Steinbrück. Zwar an der Partei vorbei, aber wen kümmern in
Zeiten der Gefahr schon die Parteien? Den Alten ohnehin nie viel. Und der
64-jährige Jungspunt
hat auf die kürzlich gestellte Frage, ob er Sozialdemokrat sei, geantwortet:
»ich bin Steinbrück«. Wer kann verlieren, wenn er den Spiegel, die FAZ, die Zeit
und Günther Jauch im Rücken hat? Die wichtigsten medialen Windmaschinen
hierzulande sorgen für immerwährenden Rückenwind. Das Szenario für das Buch aus
Sicht der PR-Berater sah vermutlich so aus: Der weise Alte ist inzwischen bei
Freund und Feind, bei Jung und Alt gleichermaßen akzeptiert aufgrund von
staatsmännischer Gesamtperspektive, seiner den Jahren trotzenden Vitalität und
einem neugewonnen Flair von Widerständigkeit wg. Rauchens in öffentlichen
Räumen, in denen alle anderen klaglos nicht rauchen dürfen. Natürlich, damit
noch kein zweiter Staufenberg, leider auch ohne Augenklappe, stattdessen mit
Stock, aber immerhin: allgemein akzeptiertes Urgestein. Aus PR-Berater-Sicht auf
einen 92jährigen heißt das aber auch: Er sollte Stock und Stab weitergeben,
bevor er den Löffel abgibt. Noch zwei Jahre bis zur Wahl, aber, besser man
beeilt sich a bissl. Das klingt herzlos, aber so funktioniert PR nun mal und
eine hanseatische Kaltschnauze wie Schmidt versteht das sowieso. Steinbrück
empfiehlt sich ja schon dem Namen nach als neues Urgestein und hat auch schon
seine 64 Jahre diesbezüglich auf der Habensseite. Vor allem: er ist rechte SPD,
also die, die mit allen können, außer mit der eigenen Partei wie Schmidt damals
auch schon. Über das Motiv des Schachspielens kommt dann das persönliche mit
rein, aber auch das politisch-strategische. Schach: das Spiel der Könige. Dazu
passend läßt man im Herrenzimmer zweieinhalb Jahrtausende Geschichte vorbei
ziehen und natürlich die großen Themen der Gegenwart: Abstieg der USA, Aufstieg
Chinas, Europa gefährdet, aber Rettung durch Retter möglich. Nebenbei fallen
viele große Namen im Gespräch, so als habe man mit allen schon gefrühstückt oder
zumindest Schach gespielt: Nebukadnezar, Laotse, Talleyrand, Habermas… Wer fehlt
in der Reihe noch? Na klar: Steinbrück. Und so sagt denn, nachdem allgemein
darüber geredet wurde, was ein guter Politiker ist, der Alte ziemlich genau in
der Mitte des Buches: »Und
ob Ihnen das nun sonderlich in den Kram passt oder nicht Peer, ich bin … der
Auffassung, dass die SPD gut beraten wäre, Sie als den Kandidaten für das Amt
des Bundeskanzlers zu nominieren.«Ja, wie könnte das dem Steinbrück
in den Kram passen, so etwas aus dem allerberufensten Munde seiner Partei und
der deutschen Politik zu hören und später dann im Buch zu lesen und es im
Spiegel nochmals auf dem Cover zu lesen und es nochmals in zahlosen Interviews,
Talkshows und Bücherlesungen zu hören! Auch ansonsten gibt sich der oft grimme
Schmidt seinem Gesprächspartner gegenüber kulant. Er lässt sich von Steinbrück
brav Poppers Falsifikationstheorie erklären, weil er sie, die doch ein
Proseminaristenstoff ist, angeblich »nicht
ganz verstanden hat,« und ergeht sich im ganzen Buch in Ausrufen, so
als würde er in einem platonischen Dialog Sokrates lauschen: »Ich
stimme Ihnen zu, Peer«; »das ist ganz gewiss richtig«; »dick unterstreichen!«; »Ihre Antwort ist in Ordnung«,
»Ja, Sie haben recht, ich war zu einseitig« »Das ist druckreif« usw. Die
FAZ erklärte das so: »Die
performative Schwierigkeit besteht darin, einerseits ein Gespräch auf gleicher
Augenhöhe vorführen zu wollen – daher der aufs gemeinsame Schach anspielende
Titel »Zug um Zug« -, andererseits Schmidt noch gebührend als den obersten
Preisrichter der Partei erscheinen zu lassen, der befugt ist, Steinbrück die
Bestnoten zu geben.Das ist glänzend gelöst.« |
Helmut Schmidt und Peer Steinbrück |
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