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Bücher & Themen
Artikel online seit 13.09.13
Fotos: © Stephan Porombka

Like A Candle In The Wind. Wie Apple Suhrkamp retten will.

Gestern Abend kam die Meldung, dass Apple in Berlin am Rande der
Präsentation des neuen iPhone auch einen Rettungsplan für den
bedrohten Suhrkamp-Verlag vorstellen will.

Von Stephan Porombka

Ich habe kurze Zeit nach der Veröffentlichung dieser Nachricht bei Facebook, Twitter und Instagram ein Bild gepostet, das erste Hinweise geben sollte, um was für eine Idee es sich dabei handeln könnte.
























Der Gedanke lag nah, dass Apple Suhrkamp nutzen will, um sein eigenes Image über das Designermilieu hinaus mit Intellektualität aufzuladen. Ebenso nah lag der Gedanke, dass man auf Seiten von Suhrkamp versuchen wird, den Autoren des Hauses genau den Boost zu geben, der ihnen seit Jahren fehlt, weil das Verlagshaus den Anschluss an die Netzkultur verloren hat. Ein erster Blick in Theodor W. Adornos ‘Noten zur Literatur’ gibt die Richtung vor.

„Insgesamt drängt sich auf”, schreibt Adorno, „dass die Bücher sich dessen schämen, dass sie überhaupt noch welche sind und nicht Trickfilme oder von Neonlicht beschienene Schaufenster; dass sie die Spuren handwerklicher Tradition auslöschen wollen, um nur ja nicht anachronistisch auszusehen, sondern mit einer Zeit mitzurennen, von der sie insgeheim befürchten, dass sie für sie selber keine Zeit hat.“ (S.346)

Gerätselt wurde gestern vor allem, mit was für einer Ausstattung Apple die Suhrkamp-Bücher künftig auf den Markt bringen will. Vermutet hat man, dass es neue Prozessoren sein sollen, die mit tausend Mal präziseren Fußnoten arbeiten.
Jetzt aber kann ich zeigen, welches Geheimnis tatsächlich hinter der neuen Suhrkamp-Book-Serie von Apple steckt:



Dieser Einblick in das Innere der neuen Suhrkamp-Bände hat etwas Überraschendes. Apple hat sich nicht gegen die Kultur der Aufklärung entschieden. Erfüllt wird stattdessen, was Adorno in den ‘Bibliographischen Grillen’, die „Courage zur eigenen Form genannt hat“. Das ist die zwiespältige Nachricht dieser Innovation: Das Buch leuchtet. Aber es bleibt ein kleines Licht.

Allerdings hat Apple für alle Zweifler eine ganz besondere Pointe parat. Wenn es nach der Marketing-Abteilung geht, soll die Transformation der Bücher nicht in der Hand von Apple bleiben. Auch der neue Reader soll nicht allein von Suhrkamp eingesetzt werden. Auf den Markt bringen will Apple ein Open-Source-System, das jeder User selbst bauen und weiterentwickeln kann.

Bereits gestern sind dafür die wichtigsten Arbeitsschritte offen gelegt worden.



Schritt 1.
Man nimmt einen Bleistift und ein Stück Brotpapier und paust das Logo von seinem Mac ab.

Schritt 2.
Man legt das Brotpapier mittig auf das Cover eines Buches, nimmt ein Teppichmesser und schneidet akkurat entlang der Pauslinien das Logo nach. Dabei muss man so fest aufdrücken, dass das Teppichmesser durch das Cover hindurchgeht.

Schritt 3.
Man nimmt das ausgeschnittene Logo aus dem Cover heraus.

Schritt 4.
Nun muss man nur noch ein Stück übrig gebliebenes Brotpapier hinter das Cover kleben. Achtung: Wenn man das Papier fälschlicherweise vorne drauf klebt, minimiert sich der Effekt fast vollständig.

Schritt 5.
Jetzt muss man nur noch das Cover hochklappen und ein Teelicht in das Buchinnere stellen.

Das lässt sich mit jedem Buch aus jedem Verlag machen. Und Apples Botschaft aus der smarten Welt lautet: Jeder darf es machen. Das aber heißt, dass Apple nicht nur einen Rettungsplan für den Suhrkamp-Verlag, sondern für die Buchkultur vorgestellt hat.

Der Sommer ist vorbei, der Herbst hat begonnen. Wer mag da nicht, wenn es kalt und stürmisch wird, gemütlich zuhause sitzen, eine Kerze anzünden und sich einem guten Buch widmen. Das geht jetzt auf besondere Weise. Der September kann kommen, der Oktober auch. Wenn wir wollen, kann das jetzt ein richtig schöner Bücherherbst werden.

Denn „Leid“, schreibt Adorno in den ‘Noten zur Literatur’, „ist die wahre Schönheit an den Büchern“.



Stephan Porombka ist Professor für Texttheorie und Textgestaltung an der Universität der Künste in Berlin und twittert unter @stporombka.
Quelle: Stephan Porombkas Blog stp
 

 


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