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Glanz&Elend Literatur und Zeitkritik |
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![]() Der unsichtbare modernen Klassiker »Ignaz oder Die Verschwörung der Idioten« wurde durch die Neuübersetzung von Alex Capus für die Zukunft gerettet. Von Stefan Geyer Die Geschichte dieses aberwitzigen Buches ist eine tragische. Nachdem der Autor im Jahre 1963 das umfangreiche Manuskript in nur wenigen Monaten niedergeschrieben hatte, schickte er es an zahlreiche amerikanische Verlage, in der sicheren Gewissheit, schnell einen Verlag zu finden, der das Buch auch drucken würde. Schliesslich hatte der Autor schon sehr konkrete Vorstellungen davon, was er mit dem zweifellos zu erwartenden Ruhm und Reichtum anfangen würde. Doch es kam ganz anders. Nachzulesen ist all das in dem schönen Nachwort von Alex Capus, der »Die Verschwörung der Idioten« von John Kennedy Toole (1937 – 1969) jetzt neu übersetzt hat. In den neunziger Jahren ist der Roman unter dem Titel »Ignaz oder Die Verschwörung der Idioten« erstmals auf Deutsch erschienen. Ignaz heißt in der Neuübersetzung von Alex Capus jetzt Ignatius und der Titel kommt ohne den Vornamen seines Helden aus. Dieser Ignatius J. Reilly ist eine Nervensäge sondergleichen, und die Idioten sind alle anderen, besonders seine Mutter (Wenn ich mir vorstelle, dass die Kommunissen mich unterwandern…) [S. 309]. Ignatius ist fett, häßlich, hat einen Oberlippenbart und zwei verschiedenfarbige Augen, eins blau, das andere gelb. Er trägt stets die gleichen Tweethosen, Flanellhemden, eine Mütze und einen Schal. Dinge, die er als »vernünftige« Kleidung bezeichnet. Das einzige Regulativ ist sein ominöses »Magenventil«, das ihn schon mal wochenlang an`s Bett fesselt, sowie Myrna Minkoff, seine linksradikale »Freundin« aus gemeinsamen Studientagen. Myrna, die mittlerweile in New York lebt und Ignatius liefern sich einen ausführlichen Briefwechsel, der sich in der Regel in gegenseitigen Beschimpfungen und Belehrungen erschöpft. Myrna versucht Ignatius in ihren Briefen, die alle mit »Sehr geehrte Herren« anfangen, zu bekehren, endlich die gemeinsame Wohnung mit der Mutter zu verlassen und sich von ihr »befreien« zu lassen. Diese Briefe, das empfindliche »Magenventil« und die ewig keifende Mutter sind die wenigen Konstanten in Ignatius`Leben. Nun ist Ignatius niemand, der sich befreien lassen will, hält er sich doch für ein Genie (Tatsächlich entbehrt mein Wesen nicht gewisser Proust`scher Züge. [S. 56]), das allein über die seeligmachenden Ideen, wie die Welt zu retten sei, verfügt. Diese Ideen und Gedanken notiert er in unzähligen Schulheften, die den Boden seines Zimmers bedecken. Was du hier siehst, ist meine Weltanschauung. Sie muß noch zu einem Ganzen zusammengefügt werden,[...] (S. 56). Wer sich im Besitz der alleinigen Wahrheit wähnt, will diese auch unter die Leute bringen. Getrieben von seiner Mutter, die keine Lust hat, alleine für den Lebensunterhalt sorgen zu müssen, nimmt er auch schon mal Jobs an, z.B. bei der heruntergekommenen Firma »Hosen-Levy«. Dort endet sein missionarischer Eifer naturgemäß im Chaos, er wird, nicht ohne einen verhängnisvollen Brief geschrieben zu haben, gefeuert. Die Leute waren von meiner Einzigartigkeit überfordert (S. 170). Ebenso treibt er einen Hotdog Fabrikanten in den Wahnsinn, der Ignatius mit einem Würstchenwagen durch die Straßen von New Orleans schickt. Es findet sich allerdings niemand, der Ignatius einen Hotdog abkaufen will, zumal dieser auch lieber den Wagen irgendwo abstellt und statt dessen einer weiteren Leidenschaft frönt, dem Kinogang. Freilich geht er nur ins Kino um sich lautstark über die Unfähigkeit der Schauspieler und deren moralischen Verworfenheit aufzuregen. Wo Ignatius hintritt, wächst kein Gras mehr, oder, wie Jones, der unterbezahlte Putzmann aus dem »Night of Joy« meint: Weißt du, wer die Atombombe ist? Dieser fette Spinner ist die Atombombe! Du schmeißt ihn irgendwo drauf, gleich geht alles kaputt und alle bekommenden den Fallout ab (S. 404).
Trotz allen Wahnwitzes trägt dieser urkomische Roman viele autobiographische
Züge seines Autors, John Kennedy Toole. Es sollte, abgesehen von einem
Jugendwerk, sein einziger Roman bleiben. Nachdem sich der Autor nicht mit dem
Lektor des renommierten Verlags Simon & Schuster, der sich für das Manuskript
interessiert hatte, über diverse Änderungswünsche verständigen konnte, und es so
nicht zu einer Veröffentlichung kam, nahm sich der Autor 1969 durch Autoabgase
das Leben. Seiner Mutter schließlich gelang es, das Manuskript doch noch bei
einem Verlag unterzubringen. Ihr und einem Universitäts-Verlag, der noch nie
zuvor ein belletristisches Buch veröffentlicht hatte, ist es zu verdanken, das
wir diesen Schatz jetzt lesen dürfen. Und wenn wir ehrlich sind, müssen wir
erkennen, dass ein wenig Ignatius in uns allen steckt. |
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