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»Da war alles nur Dreck und Verderben.«

Winston S. Churchills Bericht über den Sudan-Feldzug »Kreuzzug gegen das Reich des Mahdi«

1898 bemüht sich der junge Winston Churchill um einen Offiziersposten, um an der Rückeroberung des Sudan teilzunehmen. Vom Oberkommandierenden Sir Horatio Herbert Kitchener zunächst abgelehnt, gelingt es Churchill, durch die weitreichenden Beziehungen seiner Familie eine Schwadron der 21st Lancers, einer Kavallerieeinheit, als Offizier zu führen. Die Reisekosten muss der junge Churchill selbst tragen. Obwohl nicht unvermögend, deckt er seine Unkosten mit Beiträgen für die Morning Post. Aus den überarbeiteten Beiträgen und zahlreichen Ergänzungen entsteht 1899 der Bericht, der im Juni als Band 282 unter dem Titel „Kreuzzug gegen das Reich des Mahdi" in der Anderen Bibliothek erschien.

Im Juli 1898 begibt sich Churchill via Marseille nach Ägypten, um von dort nilaufwärts zu den britisch-ägyptischen Streitkräften zu stoßen. Am 2. September 1898 reitet Churchill mit den 21st Lancers in die Schlacht von Omdurman, in der die Mahdi-Armee vernichtend geschlagen wurde. Die 21st Lancers ritten in dieser Schlacht die letzte große Kavallerieattacke in der Militärgeschichte, als einzige britisch-ägyptische Einheit mussten sie größere Verluste hinnehmen.

Die Armee des Mahdi hatte den technologisch überlegenen Streitkräften, mit ihren Maschinengewehren und Kanonenbooten, nichts entgegenzusetzen, innerhalb kürzester Zeit wurde ein Großteil zusammengeschossen, fast 10.000 Mann starben direkt in der Schlacht, weitere 15.000 wurden verwundet. Kitcheners Truppen hatten insgesamt rund 500 Tote und Verwundete zu beklagen.
Das Kalifat von Omdurman war besiegt, die Rückeroberung des Sudans fast abgeschlossen.

Im Jahr 1881 begann der selbsternannte Mahdi Muhammad Ahmad den Aufstand gegen die ägyptische Fremdherrschaft im Sudan. Als Heiliger Krieg hatte er die Gründung eines islamischen Staates zum Ziel. In der Schlacht von El Obeid wurden die ägyptischen Truppen, unter dem Befehl von William Hicks (Hicks Pascha) geschlagen. Die britische Regierung wies daraufhin Ägypten, mittlerweile britisch besetzt, an, die sudanesischen Provinzen zu räumen. Der frühere Generalgouverneur des Sudan, Charles George Gordon, wurde beauftragt, die Evakuierung der Ägypter zu organisieren. Gordon reiste 1884 nach Khartum, kurz bevor die Stadt von den Mahdi-Truppen eingeschlossen wurde. Ohne Hilfe hielt Khartum der Belagerung fast ein Jahr stand, am 26. Januar 1885 wurde die Stadt erobert und Gordon getötet. Sein Kopf wurde als Trophäe präsentiert, eine Demütigung für das Empire.

Das Kalifat von Omdurman wurde errichtet, ein islamisches Staatsgebilde mit der Scharia als Rechtsgrundlage. Muhammad Ahmad starb völlig überraschend im Juni 1885, unter seinem Nachfolger Kalif Abdullahi wird das Kalifat zu einer fundamentalistischen Militärdiktatur, die mit Brutalität und Terror gegen Feinde und die eigene Bevölkerung vorging. Hungersnöte folgten, durch die die Bevölkerung zusätzlich dezimiert wurde.

Durch die Entwicklungen im Sudan und den angrenzenden Regionen drohte Großbritannien, seinen Einfluss in Afrika zugunsten anderer Kolonialmächte zu verlieren. 1896 wurde Kitchener von der britischen Regierung beauftragt, die Mahdisten anzugreifen. Es folgte ein Feldzug, der durch technische und logistische Überlegenheit entschieden wurde.

„Kreuzzug gegen das Reich des Mahdi“ liegt jetzt erstmals auf Deutsch vor. Der Sprache des Textes merkt man ihr Alter nicht an, Churchills Stil ist elegant, lebendig, der Text ist spannend, auch wenn er in seiner Detailfülle die eine oder andere Länge enthält. Über manche Strecke liest sich das Buch wie ein Abenteuerroman. Dies allein aber macht den Reiz nicht aus.

Es ist ein Buch, dass durch seine Aktualität besticht. In den Mahdisten des 19. Jahrhunderts lassen sich die Taliban des späten 20. und des 21. Jahrhunderts wiedererkennen. Die Mechanismen die zur Machtergreifung der Taliban führten und deren Vorgehen zur Festigung ihrer Herrschaft ähneln in erschreckender Weise den politischen und wirtschaftlichen Vorgängen im Afrika der Kolonialzeit. Auch die Situation im heutigen Sudan wirkt wie ein Abziehbild des Kalifats von Omdurman. 

Churchill beschäftigt sich mit der Frage, wie Religion dazu benutzt werden kann, als übergeordnetes Instrument eine gemeinsame Basis zu schaffen, um Sprengkraft zu entfalten, auch wenn er daraus keine dauerhafte Bedrohung ableitet. So sieht denn Churchill den Sudan-Feldzug auch nicht als Krieg gegen den Islam, der deutsche Titel wird deshalb der Intention des Buches, Im Original „The River War“, nicht ganz gerecht, auch wenn am Ende die Vernichtung des ersten islamistisch-fundamentalitischen Staatsgebildes steht. Der Beobachter Churchill zeichnet sich durch einen unbestechlichen, nüchternen Blick aus. Einige rassistische Anklänge, „Selten sind die Eigenschaften von Mischlingen bewundernswert, und die Mischung von Arabern und Negern hat eine verderbte und grausame Art hervorgebracht“, muss man im zeitgenössischen Kontext betrachten. Insgesamt aber zollt Churchill dem Gegner durchaus Respekt, dessen Tapferkeit der Soldat Churchill bewundert. Kritisch geht er mit den britisch-ägyptischen Streitkräften ins Gericht, von denen sich einige Teile nach dem Sieg zu Massakern hinreißen ließen. Churchill benennt und verurteilt dies in aller Deutlichkeit. Er schließt sich nicht der in der britischen Öffentlichkeit vorherrschenden „gedankenlosen Elogen einer ignoranten Begeisterung“ an. Feiert die britische Öffentlichkeit Kitchener aufgrund seines Erfolges, so schreibt Churchill „Einem großen Mann Gerechtigkeit widerfahren zu lassen verlangt nach differenzierender Kritik. Schwärmerei, wie wohltuend sie auch sein mag, ist immer dümmlich.“ Omdurman war für Churchill „zur Hauptsache ein mechanisierter Vernichtungssturm [und damit auch der Beginn der Kriegsführung mittels Massenvernichtungswaffen, die Mahdi-Armee ] aus defensiver Position gegen schlechtbewaffnete Männer auf offenem Feld.“ Trotz insgesamt geringer Verluste weist Churchill einige taktische Fehler nach, die unnötige Opfer kosteten.

Zwei Ereignisse werden besonders deutlich angeprangert. Nach der Schlacht von Omdurman blieben die verwundeten Mahdi-Kämpfer unversorgt auf dem Schlachtfeld zurück, von 15.000 Verwundeten starb ein Großteil. „Die Behauptung, wonach >> die verwundeten Derwische alle Aufmerksamkeit und Fürsorge<< erhielten, ist so ganz ohne jede Wahrheit, dass sie sich kaum noch als verlogen bezeichnen lässt, sondern ins Reich des Lächerlichen gehört.“ Die Schilderung der Situation der Verwundeten gehört zu den eindrücklichsten und drastischsten Passagen des Buches.

Nach dem Einmarsch in die eroberte Stadt ordnete Kitchener zudem an, dass das Grabmal des Mahdi Muhammad Ahmad, Heiligtum der Mahdi-Bewegung und durch Artilleriebeschuss bereits schwer beschädigt, bis auf die Grundmauern geschliffen werden sollte. Der Kopf der Leiche Muhammad Ahmads wurde nach Kairo gebracht (später auf Anordnung des ägyptischen Generalkonsuls Lord Cromer in Wadi Halfa bestattet), der restliche Körper wurde in den Nil geworfen. Churchill: „ … dann zögere ich nicht zu erklären, dass zu zerstören, was ihnen geheiligt und unantastbar war, eine Schandtat bedeutet, angesichts welcher der wahre Christ genauso wie der Philosoph nur seinen Abscheu ausdrücken kann.“

„Kreuzzug gegen das Reich des Mahdi“ wurde übersetzt und editiert von Georg Brunold, der in seinem Vorwort die geschichtlichen Hintergründe des politischen Islam beleuchtet, seine Anfänge ebenso wie die Entwicklung nach der Niederlage des Mahdi-Reichs, die letztlich im 11. September und dessen Folgen mündet.

Etwas verworren ist die Editionsgeschichte. Erstmals erschien das Werk als zweibändige Ausgabe im Jahr 1899 unter dem Titel „The River War. A Historical Account of the Reconquest of the Soudan“ 1902 folgte eine einbändige, gekürzte Ausgabe, der die ersten fünf Kapitel des vorliegenden Bands entnommen wurden. Den restlichen Kapiteln liegt die nochmals gekürzte Ausgabe von 1962 zugrunde, wobei einige Kapitel mit Abschnitten aus der ursprünglichen Ausgabe von 1899 ergänzt wurde. Sämtliche Kürzungen bis 1962 wurden von Churchill autorisiert. Der Text wurde durch Anmerkungen des Herausgebers ergänzt. Stefan Möller
 

Winston Churchill
Kreuzzug gegen das Reich des Mahdi
Übersetzt von Georg Brunold

Eichborn - Die Andere Bibliothek
26.95 Euro, 48.00 sFr
ISBN 9783821847658
 

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