Glanz@Elend
Magazin für Literatur und Zeitkritik
© by Herbert Debes & Kurt Otterbacher

Belletristik -Wiedergelesen
 

 

Home    

 Preisrätsel     Verlage A-Z     Medien & Literatur     Museen & Kunst     Mediadaten   Impressum

     

Belletristik
Romane, Erzählungen, Novellen & Lyrik
Blutige Ernte
Krimis, Thriller & Agenten
SF & Fantasy
Elfen, Orcs & fremde Welten
Quellen
Biographien, Briefe & Tagebücher
Geschichte
Epochen, Menschen & Phänomene
Politik
Theorie, Praxis & Debatten
Ideen
Philosophie & Religion

Kunst
Ausstellungen, Fotobücher & Bildbände
Tonträger
Hörbücher & O-Töne
Videos

Literatur in Bild & Ton
Literatur Live
Veranstaltungskalender
Zeitkritik

Kommentare, Glossen & Essays
Autoren
Porträts, Jahrestage & Nachrufe
Verlage
Nachrichten, Geschichten & Klatsch
Film
Neu im Kino

Klassiker-Archiv
Übersicht
Shakespeare Heute
Shakespeare Stücke
Goethes Werther, Goethes Faust I,
Eckermann, Schiller, Schopenhauer,
Kant, von Knigge, Büchner, Mallarmé,
Marx, Nietzsche, Kafka, Schnitzler,
Kraus, Mühsam, Simmel, Tucholsky


Die aktuellen Beiträge werden am Monatsende in den jeweiligen Ressorts archiviert, und bleiben dort abrufbar.

Wir empfehlen:







Andere Seiten
Diskutieren Sie mit Gleichgesinnten im FAZ Reading Room
Joe Bauers Flaneursalon
Gregor Keuschnig Begleitschreiben
Armin Abmeiers
Tolle Hefte
Curt Linzers
Zeitgenössische Malerei
Goedart Palms Virtuelle Texbaustelle
Reiner Stachs Franz Kafka
counterpunch
»We've got all the right enemies.«

Riesensexmaschine
Nicht, was Sie denken?!

texxxt.de Community für erotische Geschichten
Wen's interessiert Rainald Goetz-Blog

 

Schlechte Reklame für ein gutes Buch

Über Robert Merles biographischen Roman
»Der Tod ist mein Beruf«

Unter der Headline »Littells Vorläufer: 'Der Tod ist mein Beruf'« hat der Schriftsteller Rolf Schneider in der Welt vom 21.02.2008 nicht zu Unrecht die Kürze des literaturgeschichtlichen Gedächtnisses beklagt, und in einem knappen Statement auf den bereits 1952 bei der Éditions Gallimard erschienenen Roman »Der Tod ist mein Beruf« von Robert Merle hingewiesen, das er mit dem Satz krönte: »Merles Roman ist genau das, was an jenem Littells gerühmt wird: groß und kalt.«
Und genau das steht jetzt als verkaufsfördernder Slogan auf der knallroten Bauchbinde der neuen broschierten Aus
gabe des Romans, dessen Covergestaltung der französischen Originalausgabe von Littells »Wohlgesinnten«, nun sagen wir mal zurückhaltend, nachempfunden worden ist, und die mit einer ganzseitigen Anzeige in Buchhandelsmedien beworben wurde.
Das ist Huckepack-Marketing der dreisten Art, ebenso einfalls- wie geschmacklos, und es degradiert Merl
es grandiosen Roman zu dem Vorläufer-Modell eines provokant ambitionierten Schreibprojektes, dessen konzeptionelle und literarische Qualitäten auch nicht ansatzweise an die Meisterschaft Merles heranreichen.

Dessen biographischer Roman »Der Tod ist mein Beruf« (im französischen Original »La mort est mon métier«, die deutsche Ausgabe erschien erstmals 1957 im Aufbau-Verlag) beschreibt das Leben des Rudolf Höß, im Buch heißt er Rudolf Lang, der als Kommandant des Konzentrationslagers Auschwitz für die Vernichtung von 1,5 Millionen Menschen verantwortlich war (die Zahl basiert auf Berechnungen von Höß selbst, die er im April 1946, während seiner Aussagen im Nürnberger Prozess vorlegte, und die mit den von der Auschwitz-Gedenkstätte veröffentlichen Zahlen von 1,1 – 1,5 Millionen übereinstimmen.)

Daß der Roman konsequent aus der Täter-Perspektive geschrieben ist, war Anfang der 50er Jahre in der Tat ein Tabubruch, und das Buch fand in der deutschen Landschaft des Vergessens keinen ihm angemessenen Platz. Das änderte sich erst, nachdem der Roman 1977 als (west)deutscher Spielfilm mit dem Titel Aus einem deutschen Leben unter der Regie von Theodor Kotulla - mit einem beklemmend guten Götz George in der Hauptrolle - verfilmt worden war.
Merles psychogrammatische Charakterstudie, die sich in der ersten Hälfte des Buches eingehend mit der Kindheit und Jugend des Rudolf Lang und der ihn prägenden Gestalt des streng katholischen, gefühlskalten und krankhaft pedantischen Vaters befaßt, basiert auf den Untersuchungsergebnissen des amerikanischen Psychologen Gustave M. Gilbert, der Höß nach einer Reihe von Gesprächen in dessen Haft schiziode Apathie attestiert hatte.
Bei der Beschreibung von Langs Weg als Kriegsfreiwilliger im Nahen Osten während des Ersten Weltkrieges, Freikorpsmitglied in Litauen, dem Rheinland und Oberschlesien, seiner Parteikarriere in der NSDAP, SA und SS bis zum Kommandant in Auschwitz stützte sich Merle auf Dokumente des Nürnberger Prozesses und die Notizen, die Rudolf Höß in polnischer Haft angefertigt hatte.

Das Erschrecken über sich selbst
Merle hat den Nimbus der moralischen Unanfechtbarkeit der Nachgeborenen mit einem Buch gebrochen, das ohne eine Zeile Zynismus auskommt. Es provoziert durch seine Unmittelbarkeit und Klarheit in der Darstellung der Figur Langs, auch weil es nichts erklärt, nichts relativiert und nichts bewertet. Die einzigartige Qualität von Merles Roman besteht darin, daß sich beim Lesen, unerwartet, Mitgefühl und Verständnis für den Protagonisten einstellt, das schließlich in die erschütternde Erkenntnis mündet: Ja, das hätte mir auch geschehen können. Ich verstehe, wie aus dem geschundenen Knaben Rudolf Höß das »Monster« von Auschwitz werden konnte.
Eine Erkenntnis, die sich jede neue Generation von Nachgeborenen selbst wird erarbeiten müssen. Und je weiter sich die monströsen Dimensionen des Schreckens des Holocaust in die Geschichte verflüchtigen, umso wichtiger werden Bücher wie dieses sein, ganz und gar gleichgültig was vorne drauf steht. Herbert Debes
 

Robert Merle
La mort est mon métier
Éditions Gallimard, Paris 1952,
ISBN 2-0703-6789-4

Der Tod ist mein Beruf

Übersetzt von
Curt Noch
Aufbau-Verlag, Berlin 1957
ISBN 3-7466-1212-8

 

Glanz@Elend
Magazin für Literatur und Zeitkritik

© by Herbert Debes & Kurt Otterbacher

Startseite
Belletristik   Blutige Ernte   SF & Fantasy   Quellen  Geschichte   Ideen
Politik   Kunst  
Tonträger   Videos   Literatur Live   Zeitkritik   Autoren   Verlage
Film
   Preisrätsel   Verlage A-Z   Medien & Literatur   Museen & Kunst  
Mediadaten   Impressum