
© R. Reifenrath
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Totes Synchron-Kapital
–Als es in den Sechziger
bis Neunziger Jahren noch die „Filmredaktionen“ in den öffentlich-rechtlichen
TV-Sendern der BRD gab, waren deren Zuschauer gewissermaßen cinéastisch fast so
„gebildet“ wie die filmaffinen Besucher von Henri Langlois weltberühmter Pariser
Cinémathèque francaise. Dort hatten sich die Regisseure der Nouvelle Vague
filmhistorisch aufgefüttert.
Die Filmredaktionen der ARD, deren 3.Programme & des ZDF
sorgten zumeist mit Hilfe Leo Kirchs & seiner Imprints dafür, dass
deutschsprachige Fernsehzuschauer nicht nur regelmäßig mit den jüngsten
Produktionen des aktuellen Qualitätskinos der Welt bekannt gemacht wurden,
sondern auch verborgen-vergessenen Schätze Hollywoods von den Dreißiger Jahren
bis zur Gegenwart New Hollywoods im TV präsentiert wurden. Da die meisten dieser
zigtausend Filme der Kinematographie der Welt im allgemeinen Abendprogramm
liefen, wurden sie (wie z.B. die Marx Brothers) synchronisiert - & sofern es
jüngste Produktionen waren, konnten diese synchronisierten Filme auch vor der
Ausstrahlung in den bundesdeutschen Kinos laufen. Wie der Ankauf, der
Jahrzehntelang Leo Kirch reich machte, so subventionierte das bundesdeutsche
TV-System indirekt nebenbei auch die Film-& Kinobranche - wenn sie nicht durch
Coproduktionen & Vorabkäufe direkt das Entstehen von Filmen in Europa oder
Lateinamerika ermöglichte.
Da die TV-Anstalten die Filme nur für eine bestimmte Anzahl
von Ausstrahlungen erwarben & danach die Kopien (vermutlich samt
Synchronfassungen) an die Rechteinhaber zurückgaben, müssten sie sich heute bei
diesen befinden, sofern sie noch existieren, bzw. das Filmkapital (irgendwo?)
gelagert wurde. Soweit ich weiß, gibt es nirgendwo einen Zentralkatalog, der den
Verbleib dieser einmal präsenten repräsentativen Filmsammlung des Weltkinos
quasi bibliothekarisch erfasst. Wo sind die Synchronisationen der
ARD-Filmredaktionen (samt Filmen) geblieben?
Verschleudertes, verschlamptes nationales & internationales Kulturerbe.
*
Vornamen-Roulette –
Durch die Einbürgerung
vieler Menschen aus den rand- & nichteuropäischen Sprachen entstehen
natürlicherweise mannigfach Probleme. Wobei ich keineswegs Verständnis- oder
Artikulationsschwierigkeiten mit der deutschen Sprache meine. Sondern mit Vor-&
Nachnamen der Neubürger, die zumeist stolz sind auf das, was sie ererbt haben
von ihren Eltern, Voreltern oder ihrer ethnischen Gemeinschaft - & wären es auch
nur noch die Namen, die ihnen aus einer Sprache & Kultur von ihren Eltern
gegeben wurden – obwohl sie sich manchmal von beiden lebensweltlich entfernt
hatten. Andere pflegen weiterhin, obwohl formell als deutsche Staatsbürger
integriert, die mentale oder kulturelle Beziehung zur Herkunft ihrer Vorväter.
Wie & warum auch immer, man stößt im heutigen Deutschland
längst regelmäßig im Beruf & Geschäftsleben auf Menschen, deren Nachnamen für
einen schwerer aussprech- & merkbar sind als die in unserer (Sprach-)Kultur
geläufig- & bekannten. Vor allem aber auf Vornamen, bei denen man deren
geschlechtliche Zuordnung weder kennt noch instinktiv erahnen kann.
Das ist heute (gewiss) hauptsächlich ein Übergangsphänomen, das zwei, drei
Generationen später wahrscheinlich (ver-)schwinden wird. Es sei denn, dass bei
diesen nominellen deutschen Staatsbürgern die identitäre Bindung an die
genealogische Herkunft so stark (geblieben) ist, dass sie von den Betroffenen
bewusst sprachlich dokumentiert werden soll.
Andererseits könnten sich die erwähnten Probleme in der
multikulturellen Gesellschaft der ferneren Zukunft dadurch lösen, dass schon die
Schulkinder von früh auf sowohl mit den heute noch „zungenbrecherischen“
Eigennamen als auch mit der geschlechtlichen Zuordnung der Vornamen ihrer
Mitschüler & Mitschülerinnen vertraut sein werden.
Erst dann aber dürften die diskriminellen Folgen „fremder“ Namen, die heute oft
noch in der deutschen Gesellschaft (mancherorts) an der Tagesordnung sind,
weitgehend passé sein.
*
Tontrübung
- Bereits
vor einigen Jahren habe ich an dieser Stelle die schlechte Qualität des
Sprachtons in deutschen Filmen moniert, die ARD & ZDF senden. Für
synchronisierte ausländische Filme trifft dieses Manko nicht zu. Vermutlich
tritt bei deutschen Filmen (gleichgültig ob fürs TV produziert oder im TV
nachgespielt) dieses Phänomen auf, wenn diese Filme mit Originalton
gedreht wurden. Darauf war die Nouvelle Vague besonders stolz, weil derart die
authentische Einheit von Person & Sprache im Augenblick ihrer filmischen Präsenz
reproduziert wurde.
Das setzt aber eine präzise, kreativ-variable Arbeit bei
der Tonaufnahme & deren Nachbearbeitung voraus. Beides scheint mir jedoch im
neueren deutschen Film gewissermaßen unterbelichtet - & zwar auch bei
meisterlichen Regisseuren wie Dominik Graf.
Jetzt konnte ich es nahezu experimentell erleben, als ich mir Grafs jüngsten
„Polizeiruf“ ansehen wollte. Nach 10 Minuten brach ich die Sichtung ab, weil ich
die meisten der Dialoge akustisch nicht verstanden hatte & zippte zu dem
gleichzeitig andernorts ausgestrahlten satirischen Monolog des Kabarettisten
Urban Priol, bei dem ich jedes Wort akustisch verstand.
Lag es am Headphone, das Priol benutzte? Oder artikulierte er deshalb besser,
weil er wg. seiner sprachlichen Pointen immer von jedem akustisch verstanden
werden sollte? Bekannt ist jedenfalls, dass weder auf der Bühne noch im Kino von
vielen Schauspielern artikuliert & akzentuiert gesprochen wird - im Gegensatz zu
den Synchronsprechern. So kann es passieren, dass man im Fernsehen einen
synchronisierten fremdländischen Film ohne akustische Trübnisse versteht, bei
lippensynchronen deutschen Filmen aber seine akustischen
Verstehensschwierigkeiten hat.
*
Zitatfund –
Aus der Mail eines
Freundes nach Trumps Vereidigung: „Jedenfalls
sehe ich in der Erkenntnis, dass nirgends auf der Welt eine einigermaßen
ordentliche Regierung zum Wohl der Gesellschaft waltet, eine aufregende
Herausforderung, der wohl nur Stoiker gewachsen sind“.
*
Gender
übergriffick
- Bertrand Blier ist gestorben. 85 jährig (mein Jahrgang), ich
hielt ihn immer für jünger, besser alterslos. Die wenigen Filme, die ich von ihm
kenne, habe ich meist auf Filmfestivals gesehen, nicht alle seines Oeuvres sind
in deutsche Kinos, geschweige denn ins Fernsehen gelangt. Aber immer, wenn ich
sah, dass „ein Blier“ z.B. in Cannes angekündigt war, freute ich mich darauf
(wie auf das Treffen mit einem sehr lieben alten Freund).
Der Sohn des einst berühmten französischen
Schauspielers Bernard Blier war so etwas wie Bunuel auf protestantisch. Während
der spanische Katholik die Erotik seiner Spielfilme ästhetisch sublimierte &
raffiniert kultivierte, ging der Franzose, der mit Religion nichts am Hut hatte,
in seinen toll-dreisten Komödien immer direkt vor: „vulgär“, proletarisch,
kriminell, anarchistisch. „Ein böser Bube“, für den Eros=Sexus ist, Gender
übergriffick.
In seinen
„Ausgepufften“ (mit dem jungen Depardieu, dessen wunderbaren Freund Patrick
Dewaere & der quirligen Miou-Miou) begeht Jeanne Moreau 1974 den bizarrsten
Selbstmord der Filmgeschichte: durch den Schuß einer großkalibrigen Pistole in
die eigene Vagina. Das war Bertrand Bliers Werk (sofern ich es kannte). Noch ein
rätselhaftes Bild hat sich mir in diesem Augenblick des Abschieds aus einem
seiner späten Filme („Eins, zwei, drei, Sonne“,1991) nun zugesellt: Marcello
Mastroianni als ein alter Hafenarbeiter steht vor dem dunklen Hintergrund einer
großen Schuppenhalle am Meer.
Artikel online seit 23.01.25
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»Petits
riens«,
nach dem Titel
eines verloren gegangenen Balletts, zu dem der junge Mozart einige pointierte
Orchesterstücke schrieb, hat der Autor seit Jahren kleine Betrachtungen,
verstreute Gedankensplitter, kurze Überlegungen zu Aktualitäten des
Augenblicks gesammelt. Es sind Glossen, die sowohl sein Aufmerken bezeugen
wollen als auch wünschen, die
»Bonsai-Essays«
könnten den Leser selbst zur gedanklichen Beschäftigung mit den Gegenständen
dieser flüchtigen Momentaufnahmen anregen.
»Kleine
Nichtse« eben - Knirpse, aus denen vielleicht doch noch etwas werden kann.
Petits riens (IX)
Horrorfamilien &-feste -
Fürsorgliche Belagerung - Wert, Schätzung
Text lesen
Petits riens (x)
Die
Konkurrenz schläft nicht - Kinospekulation - Reisebekanntschaften - Café de
France, trocken
Text lesen
Petits riens (elf)
Text lesen
Erhellung - Appell -
Calvinisten-Lehre - Fundamentales hier & dort
Petits riens (zwölf)
Text lesen
Privatissime öffentlich / Was tun?
Ahnungslose Nachfolge.
Petits riens (dreizehn)
Text lesen
Die kleine Differenz - Literarische Bodenlosigkeit - Sprich,
Erinnerung, sprich - Mit Mozart zu Boeing
Petits riens (vierzehn)
Text lesen Weniger
ist mehr - Raumflucht - Flensburgisches Berchtesgaden - Wo steht das Klavier? -
Tot zu Lebzeiten
Petits riens (fünfzehn)
Text lesen Aus
zweiter Hand - Alla Calabrese - Noli me tangere - Fanpost
Petits riens (sechzehn)
Text lesen Landläufig
- Die verlassenen Bücher - Ortsfetischismus
Petits
riens (siebzehn)
Text lesen
Eingeweide-Mahnung
- Hase & Igel mit Pedalen - Nachhilfe-Kommentatoren
Petits
riens (achtzehn)
Text lesen Merkel semper triumphans -
Erkennbare Missgeburt - Kino-Vision
- Findlingstückchen
Petits
riens (neunzehn)
Text
lesen
Brecht/Trump -
Self fulfilling prophecy - Schadenfreude
Petits
riens (zwanzig)
Text
lesen
Zeit haben -
Nachtmahlen
-
Späte Erkenntnis -
Das Gefäß
bestimmt den Inhalt
Petits
riens (21)
Text
lesen
Korrektur - Aus
der Geschichte lernen - Vorsicht & Nachsicht
Petits
riens (22)
Text
lesen
Deutsche Karrieren
(mehrfach) - Teure Bürde
der Verantwortung -
Trumpeln
Petits
riens (23)
Text
lesen
In die Tasche gesteckt - Stumm- & Tonfilm - Feuerwerksverpuffung
Petits
riens (24)
Text
lesen
Wo ich
nichts weiß, macht mich nichts heiß - Verlust-Anzeige -Der kleine Unterschied -
Kniefall -Allein diese beiden - Die Verwandlung
Petits
riens (25)
Text
lesen
Unterlassene
Hausaufgaben - Drakonische Notwehr -
Morbus Trump
Petits
riens (26)
Text
lesen
Zukunft einer
Illusion - »Aber gerne« - Waffen & Bauen -
Kollateralgewinn
Petits
riens (27)
Text
lesen
Noli me tangere - Karriere eines Wortes - Kanonische Spekulationen - Zugebissen
- Studentinnen -
Kleine Nachtmusik mit Primzahl-Kompositionen
Petits
riens (28)
Text
lesen
Vertrauen Sie sich mir
an -
Schwarze Hefte -
Vom Himmel hoch, da komm ich her
Petits
riens (29)
Text
lesen
Eines Rätsels Lösung -
Gender Irritation - PV - Gift-Gaben
Petits
riens (30)
Text lesen
Wahl-Korrektur -
Sponti Adé Brioche mit Aktien
Petits riens (31)
Text lesen
Knallerprojekte - Glück gehabt - ... macht mich nicht heiß - Angeführt &
angeschmiert - Gender-Führung - Trauerarbeit
Petits
riens (32)
Text lesen
Münsteraner Rätsel -
Pfäffische SPD - Aufgemerkt also - Kannitverstan -
Versprecher - Noch ne Tasse im Schrank?
Petits
riens (33)
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Genre-Szene - Deutschstunden mit Bildern - Klettermaxe -
Rumpelstilzerische
Petits
riens (34)
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Spätzündung -
Schlußverkauf -
Abgefüllte Zeit Sprachflüchtiger Literat Ordnung & Amt
Petits
riens (35)
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Romänchen - Fernbedienung -
Trübe Aussicht - Posthumes Autodafé
Petits
riens (36)
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Selbstverständlichkeit
Bezahltes Barbarentum
Unverhoffte Koinzidenz
Problematisches Privileg
Petits
riens (37)
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Rollover Beethoven
(Hellsicht) - Trump was here
Petri-heil-los -
Schottischer Fortschritt
Petits
riens (38)
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Trauerfall
Vom Gärtner zum Bock
Petits
riens (39)
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Zombi
Fröhlicher Selbstmord
Petits riens (40)
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Antizipation - Sehen & Hören -
Elektro-Magnetismus - Verlustanzeige - Letzte Mohikaner
Kapitolinisches Desaster
Petits riens (41)
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Traumparadoxe - Teddies Schatten - Beggar's Opera - Corona-Karpfen
Petits riens (42)
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Attention mesdames!
Dänischer Gulliver in Nordkorea
Petits riens (43)
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Geballer ohne Tote
Lachnummern Revue -
Wandel
Petits riens (44)
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Superlativitis - Sturm
abgeblasen - Neueste Pathfinder - Rätsel Lösung -
Kollateral Bonus
Petits riens (45)
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Lagerdenken,
Gespenster-Aura -
Betriebsschaden
Petits riens (46)
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Kurage,
Massenerfahrungsbad,
Schall & Rauch,
Chronik eines angekündigten Todes, Spätfolgen
Petits riens (48)
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Undiplomatische Kollateralschäden -
Das Undenkbare
oder der Ernstfall -
Koinzidenzialer Gipfel
Petits riens (48)
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Voreilige Forderung, Verlustanzeige, Vergeblicher Wunsch,
Definitionshilfe
Petits riens (49)
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König
Herzog, By-the-way-discovery, Münchhausener Glaubensdialektik,
Einmal ist keinmal, Private joke
Petits
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Verlagsverlegenheiten,
Klare Aussprache,
Kunst-Macht-Übernahme
Petits
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Piff-paff, Funkstille,
Verquerer
Respekt, Kreml-Astrologie,
Verlustanzeige, Ulmer-Potemkin
Petits
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Korrektur, Klein aber fein,
Handreichungen, Pechvogel als Dieb, Voyeuristische Abstumpfung,
Doppelbelichtung, Tom&Jerry mit Gulag
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Private Rasterfahndung
Unverhoffter Doppelgänger Brentano & Heine
Petits
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Zahlen-Erweckung,
Unehrenhaft, Hoppla,
Jetzt reichts: mea res agitur,
Oma-Wünsche, Spekulation
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perplex,
Contes de fées,
fraglos, Iranischer Frauen-Mut,
Wespen-Täuschung
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