Zwei
Bücher, die in keiner Bernhard-Bibliothek fehlen dürfen:
»Der
Wahrheit auf der Spur« - Die öffentlichen Auftritte &
»Goethe
schtirbt« - Erzählungen Von
Herbert Debes
Als
Thomas Bernhard am 12. Februar 1989 mit nur 58 Jahren in seiner Gmundner
Wohnung an Herzversagen starb, verstummte mit ihm nicht nur eine
bedeutende Stimme der Weltliteratur und des Theaters. Mit ihm erlosch
auch die loderndste Flamme der deutschsprachigen Zeit- & Kulturkritik
seit Karl Kraus. Kein deutschsprachiger Autor hatte Publikum und
Kritik seither so
polarisiert.
Thomas Bernhard wurde geliebt oder gehaßt, gleichgültig hat er
zeitlebens die wenigsten gelassen.
Die einen liebten ihn, weil er in seinen autobiographisch getönten
Erzählungen und Theaterstücken den kleinbürgerlichen, braunen
vaterländischen Nerv so schonungslos traf und genüßlich decouvrierte.
Von vielen seiner österreichischen Landsleute wurde er dafür als »Vaterlandsverräter« und »literarischer Bettnässer« beschimpft, daß es einen heute noch graust:
»Falls mir dieser Güllen-Bernhard mit seinem rotleuchtenden Zink'n nochmals zufällig am
Stephansplatz über den Weg laufen sollte, werd' ich ihn dazu bringen,
die Roßknödl zu küssen. Aber knieend, bitte.«
(P. Randàk-Hein, Wien,
profil, 24.10.1988, zitiert nach: Jens Dittmar, Hrsg.: Sehr geschätzte
Redaktion, Leserbriefe von und über Thomas Bernhard, Edition S, 1991)
Daß Thomas Bernhard auch nach seinem Tod ein Autor geblieben ist, der im
Feuilleton und Buchhandel »gut geht«, bewies die Resonanz auf den Briefwechsel
des Autors mit seinem Verleger Siegfried Unseld und die aus Bernhards Nachlaß
erschienene Bilanz
»Meine Preise« hinlänglich. Nun sind in kurzer Folge zwei weitere Bücher mit
Texten des Meisters erschienen:
Da
ist zuerst ein schmaler, aber großartiger Band,
der die vier Erzählungen
»Goethe
schtirbt«, »Montaigne«,
»Wiedersehen«
und »In
Flammen aufgegangen« versammelt, die Bernhard bereits 1985 seinem Verleger ans
Herz gelegt hatte, der aber erst im Herbst letzten Jahres realisiert worden ist.
Sie
zeigen den ironisch abgeklärten Zampano der tragischen Momente und irrwitzigen
Situationen auf der dem Gipfel seines schriftstellerischen Könnens seiner Kunst,
wie er Motive und Strukturen seines Gesamtwerks virtuos aufgreift.
Es bereitete
Bernhard sichtlichen Spaß, Publikum und Kritiker mit seinen
Texten zu verunsichern. Und nun ist ein Buch erschienen, das uns
in
chronologischer Reihenfolge
endlich den
»öffentlichen Bernhard« zeigt,
seine journalistischen Arbeiten, Leserbriefe und öffentlichen Erklärungen
sowie die amusanten wie meist folgenreichen Interviews.
Ein Salzburger Vortrag aus dem Jahr 1954 eröffnet den Band, der mit den letzten
von ihm formulierten Zeilen endet, einem Leserbrief, der drei Tage nach seinem
Tod erscheint. Der neugierige Leser kann,
bestens unterhalten, nachvollziehen,
wie Thomas Bernhard von der Öffentlichkeit gesehen werden wollte, wie er mit ihr
spielte, ja wie er sie für seine Zwecke benutzt und Skandale inszeniert hat. Bis heute taucht immer wieder die Frage nach der
Authentizität, nach den autobiographischen Momenten in seinen Monologen
und Dialogen auf. Literaturwissenchaftler und Kritiker suchen nach ihm
in seinen Werken, als ob es darauf ankäme, Beute zu machen.
»Tatsächlich konnte ich ja sagen, er war zwar unglücklich in seinem
Unglück, aber er wäre noch unglücklicher gewesen, hätte er über Nacht
sein Unglück verloren, wäre es ihm von einem Augenblick auf den anderen
weggenommen worden, was wiederum ein Beweis dafür wäre, daß er im Grunde
gar nicht unglücklich gewesen ist, sondern glücklich und sei es durch
und mit seinem Unglück, dachte ich. Viele sind ja, weil sie tief im
Unglück stecken, im Grunde glücklich, dachte ich und ich sagte mir, daß
Wertheimer wahrscheinlich tatsächlich glücklich gewesen ist, weil er
sich seines Unglücks fortwährend bewußt gewesen ist, sich an seinem
Unglück erfreuen konnte.«
(Aus: Der Untergeher)
Betrachten sollte man dazu
die die Video-Dokumente (hier rechte Spalte), in denen Bernhard selbst in
Erscheinung tritt. Man schaut und hört wie gebannt, und weiß doch nie,
ob er einen gerade auf den Arm nimmt, oder es ernst meint mit seinen
grandiosen Monologen über Gott und Welt. Ja, der Bernhard hatte schon
einen Humor, gelt?
Alles
ist grauslich Ein Dramolett von Bernd Weber (zum
Text) oder
Thomas Bernhard stirbt an Herzversagen und Claus Peymann inszeniert in
einem Wiener Krüppelheim einen Nekrolog unter Mitwirkung eines
All-Star-Teams aus der Waldheimat.
Fragebogen Das Stammcafé Thomas Bernhards war das
Café Bräunerhof in der Wiener
Stallburggasse 2.
Als einmal Renovierungsarbeiten anstanden, wollte die Geschäftsführung
herausfinden, welche Vorstellungen die Gäste von dem neuen Café hätten und
entwarfen zu diesem Zweck einen Fragebogen, den auch Thomas Bernhard
ausgefüllt hat. (zum Fragebogen)
Thomas
Bernhard Der Wahrheit auf der Spur -
Die öffentlichen Auftritte
Herausgegeben von Wolfram Bayer, Raimund Fellinger und Martin Huber
Suhrkamp
Gebunden, 344 Seiten
19,90 €
ISBN: 978-3-518-42214-4
Thomas
Bernhard Goethe schtirbt - Erzählungen
Suhrkamp Gebunden, 98
Seiten
ISBN: 978-3-518-42170-3
Leseprobe
Mehr Bernhard: »Das
Leben ist wunderbar, die Welt großartig, ...«
Lothar Struck über den Briefwechsel
Thomas Bernhard – Siegfried Unseld Artikel lesen
Eine
Zeitreise. Ein déjà-vu. Anmerkungen
eines wahren Thomas Bernhard Lesers zu seiner aus dem Nachlaß erschienenen
Bilanz »Meine Preise« Artikel lesen
Sepp
Dreissinger (Hg.) Was reden die Leute 58 Begegnungen mit Thomas Bernhard aufgezeichnet von Sepp
Dreissinger
Mit einem Vorwort von Manfred Mittermayer
Müry Salzmann Verlag
384 S., zahlr.
Farb-und SW-Fotos
ISBN 978-3-99014-034-5
EUR 29,00 | CHF 49,60
Thomas Bernhard im
Gespräch
mit Janko von Musulin, 1967
Thomas Bernhard Selbstwatschen
Thomas Bernhard
Der Tod
und die Maden
Thomas Bernhard spricht mit José Comas u. Krista Fleischmann
Thomas Bernhard auf
Mallorca 1981
Glanz & Elend
- Magazin für Literatur und
Zeitkritik