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Glanz&Elend Magazin für Literatur und Zeitkritik

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Seitwert


»Festhalten ohne gefangen nehmen«

Handkes hintergründige und teils humorvolle Notate »Ein Jahr aus der Nacht gesprochen«

Selbstporträt aus Unwillkürlichen Selbstgesprächen nannte Peter Handke seine zwischen April und November 2006 entstanden Aufzeichnungen, die in Alfred Kolleritschs Zeitschrift »Manuskripte« im März 2007 veröffentlicht wurden. Es sind zumeist kurze Sentenzen, die alle in Anführungszeichen gesetzt sind. Tatsächlich gewinnt man schnell den Eindruck von Selbstvergewisserungen, auch manchmal Selbstimperativen, Zwiegesprächen mit Dingen oder verstorbenen Personen (insbesondere der Mutter; etwas, was Handke seinen »Ahnenkult« nennt) oder einfach nur Assoziationssplittern. Wenn nicht am Ende der Äußerung ein Frage- oder Ausrufezeichen steht, schließt der letzte Satz ohne Punkt ab. Dies ist auch in Handkes Notizbüchern, den Journalen (wie »Das Gewicht der Welt«, »Am Felsfenster morgens« oder »Gestern Unterwegs«), der Fall und erzeugt einen »leisen Eindruck von Ungesagtem« (Leopold Federmair), eine Form von schwebender Luftigkeit, möglich vom Leser aufgegriffen, fortgeschrieben, weiterphantasiert zu werden.

Im Gegensatz zu den Journalen finden sich weder Bemerkungen zu Lektüreeindrücken noch werkstattähnliche Entwürfe zu eigenen Projekten. Auch philosophische Reflexionen oder nuancierte Naturbeschreibungen vermisst man in den rund 300 Notaten. Und nur ab und zu gibt es  - hier dann wieder mit den Notizbüchern vergleichbar - sparsam gesetzte Orts- oder Zeithinweise, die dem Leser eine gewisse Einordnung anbieten, die er seltsamerweise gerne aufnimmt.

Befragt über diese Form, sagte Handke: »Ich werde davon angeweht, von innen oder von außen her, oder von beidem? Außerdem bin ich ziemlich trainiert über die Jahrzehnte, sodass ich kurz und knapp denke. Was ich da unwillkürlich gedacht habe, hat eine seltsame Form, ohne dass ich auch nur den Willen oder eine Formulierungsvorstellung hätte. Das notiere ich mir, und das tut mir gut. Ich finde diese Sätze manchmal vor wie eine Nachricht, und dann denke ich: Seltsam, diese Form oder diese Figur eines Satzes hat es noch nie gegeben. Es wäre schade, wenn das, was mich anfliegt, wieder von mir wegfliegt - und so wird es sacht festgehalten, ohne dass ich es gefangen nehme.«

Ähnlich kann sich der Leser dem aktuell bei Jung & Jung erschienenen Buch »Ein Jahr aus der Nacht gesprochen« nähern. Hier wird die Situation des Autors schon im Titel vorgegeben. So erübrigt sich jegliches Vor- oder Nachwort. Auf 216 Seiten sind rund 560 Notate abgedruckt; zwischen ein und maximal vier Sentenzen pro Seite - zumeist paritätisch links und rechts eingeordnet. Wie in den »Unwillkürlichen Selbstgesprächen« sind alle Eintragungen in Anführungszeichen gesetzt und auch hier befindet sich kein Punkt am Ende des letzten Satzes. Auf weiterführende Angaben wurde diesmal vollständig verzichtet.

Zwar ist man ein wenig im Vorteil, wenn man von Handke etwas gelesen hat, dennoch kann man das Buch auch ohne genaue Kenntnisse mit Genuss lesen. Wer durch den Titel angeregt auf eine Art Traumtagebuch spekuliert, liegt allerdings falsch. Und da nächtliche Aufzeichnungen nicht an noch frisch erinnerte Träume andocken müssen, wird man derartige Deutungsversuche schnell verwerfen. Die Notate - selten länger als drei, vier Zeilen - bestehen wie schon 2006 aus Selbstbefragungen, Vergewisserungen, Bekenntnissen, kleinen Gedichten, Beschwörungen - oder auch einfach »nur« lustvollen Wortspielen (»In einer Tragödie tritt kein Tragöde auf«) oder Paradoxien (»Guten Morgen, liebe Hörer: Hier ist der Saarländische Rundfunk mit keinen Nachrichten«). Handke ist - und das ist relativ neu - durchaus auch ironisch, zuweilen sogar selbstironisch. »P. H. im Neunten Land? - Neunmal kennt er das Land nicht« heißt es da beispielsweise in Anspielung auf sein Jugoslawien-Engagement. Und auch »Du bist so, wie der Eindruck, den du hinterläßt« kann durchaus als Selbstreflexion auf die Ereignisse rund um seine Reiseessays gelesen werden. Und wie humorvoll-hintergründig Handke inzwischen mit seinem Werk umgeht zeigt sich sowohl an den Illustrationen von Kat Menschik in der FASZ zu einigen seiner Sprüche wie auch an dieser »Feststellung«: »Und wieder einmal gehst du nur von einer Station zur anderen. Nichts stößt dir zu. Und das soll ein Buch sein?«

Neben heiteren Aussprüchen (»Wie schreibt sich 'Bondy'? - Wie Bondy«) werden auch ernste Situationen evoziert: »Und wenn die Insassen im brennenden Flugzeug vor dem Absturz ins Meer, wie die Passagiere der Titanic, zuletzt noch gesungen haben?« Und erstaunlich, welche poetische Kraft Handke mit wenigen Worten auch hier erzeugen kann, etwa wenn es heißt: »Die drei größten Errungenschaften der Menschheit möchten Sie wissen? Die Institutionen Griechenlands; der Gedanke, daß ein Gott möglich ist; und drittens noch etwas…Die Peripherie! Fernes Glimmen«. Im Nu ist der Handke-Kosmos wieder da, zumal, wenn man kurz zuvor las: »Das Schuldgeständnis des Mörders ruft das Opfer im Grab zur Auferstehung.« - »Und das Wort ist Welt geworden« . Und manchmal dann doch diese kurzen, aber enorm dichten Naturbeschwörungen: »Im Erdbraun alle Farben; plötzlich vielversprechender Karfreitag«.

Gerade im Kontrast zwischen heiteren, verspielten, albernen, manchmal auch erotischen und dann wieder suchenden, hadernden, fragenden Aussprüchen liegt ein Reiz, der vom Leser ein Höchstmaß an Konzentration und Empathie erfordert. Vom vordergründig zum schnellen Lesen verleitenden Druckbild darf man sich nicht der Feinheiten berauben, die hier verborgen sind und sich nicht immer sofort erschließen. So könnte das Diktum »Finden dauert länger als suchen« kongeniales Motto dieses Buches sein.
Also:
»So schön im Garten. Komm!«  Lothar Struck

Die kursiv gesetzten Passagen sind Zitate aus dem besprochenen Buch.
 






Peter Handke
Ein Jahr aus der Nacht gesprochen
Jung und Jung Verlag
216 Seiten, broschiert
€ 20,- / Sfr 30,90
978-3-902497-80-2


 


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