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Seitwert


Konfus und fehlerhaft

John Keegans Geschichte des Amerikanischen Bürgerkrieges ist alles andere als ein Meisterwerk

Von Klaus-Jürgen Bremm

Fraglos zählte der Amerikanische Bürgerkrieg zu den größten militärischen Konflikten des 19. Jahrhunderts. Nicht nur seine vierjährige Dauer oder die ungeheure Weite der Kampfgebiete wiesen ihm diesen Rang zu, auch die große Zahl der auf beiden Seiten kämpfenden Soldaten sowie die Höhe ihrer Verluste machten ihn innerhalb seiner Epoche beinahe beispiellos. Die erstmals in vollem Umfang zum Einsatz gekommenen modernen Technologien wie Eisenbahnen, Panzerschiffe, Telegraphen sowie Geschütze und Gewehre mit gezogenen Läufen stellten die etwa zeitgleichen Kriege der professionellen europäischen Armeen auf der Krim, in Norditalien, Dänemark, Böhmen und Frankreich weit in den Schatten. Zwischen 1861 und 1865 trugen die Streitkräfte der beiden amerikanischen Konfliktparteien mehr als 230 größere Gefechte gegeneinander aus und es starben auf beiden Seiten insgesamt 620.000 Soldaten, wobei allein der Süden mit 260.000 Toten in vier Jahren mehr als ein Viertel seiner wehrfähigen Bevölkerung verlor. Erstmals wurde auch durch eine gezielte Zerstörung ihrer Lebensgrundlagen die Zivilbevölkerung des Südens, deren Verluste nie jemand gezählt hat, in Mitleidenschaft gezogen.

Am bemerkenswertesten an dieser fast den halben nordamerikanischen Kontinent umspannenden Auseinandersetzung war jedoch, dass der Norden ebenso wenig wie die am heftigsten zum Krieg drängende Konföderation in materieller oder geistiger Form darauf vorbereitet waren. Trotz aller politischen Frontstellungen zwischen Nord und Süd hatte sich kaum einer der Beteiligten eine derartige militärische Eskalation bis an den Rand eines totalen Krieges vorstellen können.

Die 25 Mio. weißen Amerikaner, die um die Mitte des 19. Jahrhunderts in den Vereinigten Staaten lebten, waren, wie der britische Historiker John Keegan konstatierte, eine durchweg friedliebende Bevölkerung mit ausgeprägten Widerwillen gegen kostspielige Militärssysteme, wie sie damals von den europäischen Mächten unterhalten wurden. Viele Einwanderer hatten allein deshalb Europa den Rücken gekehrt, um dem lästigen und verpönten Wehrdienst in ihrer alten Heimat zu entgehen. Vielfach waren auch starke religiöse Motive für die Ablehnung des Wehrdienstes maßgebend. Doch diese zutiefst zivile Gesellschaft militarisierte sich 1861 mit nie für möglich gehaltener Entschlossenheit bis zu einem Grade, wie es die europäischen Gesellschaften erst im Ersten Weltkrieg erreichen sollten.

Die verblüffende Wandlung Amerikas in ein gigantisches Heerlager ist eines der zentralen Themen, denen Keegan in seiner jetzt in deutscher Übersetzung vorliegenden Monographie über den amerikanischen Bürgerkrieg nachgeht. Aus Zivilisten wurden Soldaten, die vielfach zum ersten Mal ihre kleinen Städte und abgelegenen Farmen verließen, um sich mit erstaunlicher Fügsamkeit einem ungewohnten und harten militärischen Drill zu unterworfen, der sie unter anderen Umständen nur mit Hass und Verachtung erfüllt hätte. Auch auf höchster Ebene tat man sich mit der neuen Lage schwer.

Weder Präsident Abraham Lincoln und seine Generale noch Jefferson Davis auf Seiten der Südstaaten besaßen zum Zeitpunkt der Sezession überhaupt eine Idee, wie der bevorstehende Konflikt siegreich ausgetragen werden könnte. Außer der bescheidenen regulären Armee von 16.000 Berufssoldaten gab es bis zum Ausbruch des Krieges im April 1861 in den meisten Bundesstaaten nur schlecht bewaffnete und kaum ausgebildete Milizen. Die Mehrheit der Kriegswaffen musste sogar aus Europa importiert werden. Und doch standen nach vier Jahren Krieg auf beiden Seiten schlagkräftige Armeen im Feld, geführt von erfahrenen Kommandeuren, die es, wie Keegan betont, mit jeder professionellen europäischen Streitmacht hätten aufnehmen können.

Ausschlaggebend für den Sieg des Nordens nach vierjährigem Ringen war außer seiner numerischen Überlegenheit – er stellte mit rund zwei Mio. Soldaten doppelt so viele Männer wie der Gegner ins Feld - vor allem die Fähigkeit der Lincolnadministration, die Bundesgewalt gegenüber einzelstaatlichen Interessen durchzusetzen und somit einer effektiven Kriegführung auf allen Feldern den Weg zu bahnen. Eine Schlüsselrolle auf Seiten des Nordens weist Keegan auch dem Unionsgeneral Ulysses Simpson Grant zu, dessen entschlossene Operationsführung am Oberlauf des Mississippi 1862/63 die Union erst auf die Siegerstrasse brachte. Dagegen gelang es der Konföderation, obwohl an ihrer Spitze mit Jefferson Davis ein kriegserfahrener Offizier stand, nie, die Egoismen der Einzelstaaten zu überwinden und eine angemessene Strategie durchzusetzen. Es waren die lokalen Interessen einflussreicher Pflanzer ebenso wie eine die eigenen Möglichkeiten überschätzende Öffentlichkeit, die darauf drängten, dass möglichst jedes bedrohte Gebiet des Südens behauptet wurde, obwohl dazu die Kräfte nie ausreichten. Ob allerdings eine konsequentere Kriegführung auf der Inneren Linie dem Süden zur Unabhängigkeit verholfen hätte, bezweifelt auch Keegan, der indes die Möglichkeit nicht ausschließt, dass sich die Konföderation Dank der Weite und Unzugänglichkeit ihres Territoriums auch über das Jahr 1865 hinaus hätte halten können. Entscheidend war aber, dass sie am Ende des Krieges durch die immer dichtere Blockade der Unionsflotte fast vollkommen isoliert und ohne internationale Anerkennung war, ganz zu Schweigen von dem Scheitern aller Versuche, Alliierte in Europa zu gewinnen.

Dass die Konföderation unter diesen Umständen überhaupt vier Jahre durchgehalten hat, nötigt dem Verfasser Respekt ab.

Auch wenn Keegan seine Darstellung mit einer ausführlichen Schilderung der divergierenden politischen und wirtschaftlichen Entwicklung der Vereinigten Staaten in der Vorkriegszeit beginnt, widmet er doch die Mehrzahl seiner Kapitel dem Ablauf der militärischen Operationen. Dabei bietet er jedoch gegenüber der glänzenden Darstellung von James McPherson (Battle Cry of Freedom) kaum Neues, sieht man einmal von seinen häufigen Vergleichen mit der britischen Armee im Krimkrieg oder im Ersten Weltkrieg ab, die allerdings nicht immer einleuchten. In der Hervorhebung topographischer Verhältnisse liegt fraglos eine Stärke seiner Darstellung, weniger überzeugend fallen allerdings seine Charakteristiken der Hauptprotagonisten aus. Kriegsminister Edwin Stanton bezeichnet Keegan einmal als„etwas hyperaktiv“. Über den Unionsgeneral und Befehlshaber der Potomacarmee, George McClellan, urteilt er gleichfalls nicht besonders originell: Er sei ein Truppenführer gewesen, der irgendwie vor der Feuerprobe auf dem Gefechtsfeld zurückschreckte. Etwas launig und unbestimmt fällt auch sein Bild des konföderierten Kavallerieführers Nathan Bedford Forrest aus: „Durchaus möglich, dass sein Eigensinn und die komplette Unkenntnis aller Grundsätze und Usancen der Kriegführung ihn so erfolgreich machten“. Von Robert E. Lee heißt es wiederum nur pauschal: Er sei ein Meister des Krieges gewesen. Zum Schluss habe er es aber energisch abgelehnt, einen Guerillakrieg gegen die Union anzuzetteln. Keegan rechnet ihm diese angebliche Rücksicht auf die Bevölkerung seines Heimatstaates sogar als hohes Verdienst an. Die Frage aber, weshalb Lee und Jefferson Davis den offensichtlich sinnlosen Widerstand des Südens nicht schon nach dem Fall von Vicksburg im Juli 1863 eingestellt hatten – oder spätestens nach dem Verlust von Atlanta – erörtert Keegan nicht.

Die auf fast jeder Seite anzutreffenden Stilblüten mögen wohl noch auf das Konto des Übersetzers gehen. So heißt es auf S. 180: Grants Verwegenheit verführte ihn zum Angriff überlegener Feindkräfte. Nur wenige Seiten später dann: „Zu Unrecht hatte sich Lee bei den ersten Kämpfen im Westen nur einen bescheidenen Ruf erworben“. Nur eine Seite weiter sogar: Bis der Stadtrand zurücktrat und McClellan sich wieder in offenem Gelände befand. Von dem hoch gelobten Doyen der internationalen Militärgeschichtsschreibung hätte der Leser jedoch mehr Linie und thematische Tiefe erwarten können. Keegans Kapitel wirken ausnahmslos lieblos gestaltet, sprunghaft und oft sogar chaotisch. Der Beschreibung der Schlacht von Bull Run folgen unmittelbar ohne erkennbaren Zusammenhang Betrachtungen über die Loyalität der Grenzstaaten. Überraschend blass fallen auch seine Schilderungen der anderen Schlachten aus. Auch hier liefert er nur Versatzstücke, die kein Gesamtbild ergeben, zumal auch detaillierte Skizzen und Karten fehlen, abgesehen von einer einzigen Gesamtübersicht direkt hinter dem Buchdeckel, die viele der im Text genannten Orte aber gar nicht erwähnt.

Wiederholt kämpft man als Leser gegen das Gefühl, den ganz offensichtlich hastig zusammen gestellten Text aus der Hand zu legen, weil man dies alles bei McPherson oder Nagler weitaus konziser und eleganter nachlesen kann. Keegans Buch über den Amerikanischen Bürgerkrieg ist alles andere als das vom Verlag angekündigte Desiderat, es ist schlicht nur eine Enttäuschung.
 

John Keegan
Der Amerikanische Bürgerkrieg
Rowohlt, Berlin 2010,
512 Seiten
26,95 €
ISBN 978 3  871 134 668 2

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