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Bodenlos
gute Geschichten
Sigrid Lüdke-Haertel über John Cheevers Geschichtensammlung »Der Schwimmer«
Was gut ist, hält sich.
Vor achtundzwanzig Jahren ist der amerikanische Erzähler John Cheever gestorben.
Berühmt geworden war er mit seinen »Whapshot«-Geschichten, einer treuherzig
skurrilen Familiensaga aus dem Osten der USA. Richtig vergessen wurde er, zum
Glück, nie. Es gibt kaum einen seiner jüngeren Kollegen, der sich nicht auf ihn
bezieht: Rick Moody, Dave Eggers, T.C. Boyle, Jonathan Franzen, selbst Updike,
sie alle schwärmen von ihm.
»Der Schwimmer«, diese »Stories«, im Original 1978 erstmals erschienen, sind bei
uns, neu übersetzt, im letzten Herbst herausgekommen. Keine Neuerscheinung also,
aber eine wahre Wucht. Das Buch wiegt hunderte von Neuerscheinungen auf. Wer
jetzt ohne den »Schwimmer« in den Urlaub fährt, sollte wenigstens wissen, daß er
selbstverschuldet auf dem Trockenen sitzt.
»Ach, was soll man mit so
einem Menschen anfangen?« – mit diesem Seufzer geht die Geschichte von einem
Sommerurlaub in Laud’s Head, einer der Inseln vor Massachusetts, zu Ende. Die
ganze Familie trifft sich dort ein letztes Mal, bis auf den Vater, der früh
schon, als die vier Kinder noch klein waren, bei einem Segelunfall ertrunken
ist. Auch Lawrence, der jüngste, ist nach langer Zeit erstmals wieder dabei. Die
Beschreibung dieses Miesepeters, so subtil wie schonungslos, endet mit der
Frage: was man mit so einem Menschen anfangen soll. Das letzte Wort ist damit
aber nicht gesprochen. Denn es folgen noch die beiden Sätze: »Meine Frau und
meine Schwester - Helen und Diana - waren schwimmen gegangen, und ich sah ihre
unbedeckten Köpfe schwarz und golden im dunklen Wasser. Ich sah, wie die beiden
aus dem Meer kamen, sah, daß sie nackt waren, unbefangen, schön und voller
Anmut, und beobachtete, wie sie an Land wateten.«
In diesem (poetischen) Bild ist nicht nur die Schönheit des Ortes, der Situation
usw. eingefangen, sondern, und das ist von geradezu irrwitziger Präzision, auch
das Verdammungsurteil über Lawrence, den Jüngsten, gesprochen. Dieser Lawrence
konnte und wollte nicht erkennen, daß sich noch einmal, vielleicht nur für
einige Augenblicke, das Paradies geöffnet hatte, in dem sie einst als Kinder
leben durften.
John Cheever hatte, angefangen mit dem Pulitzer-Preis, alle bedeutenden
amerikanischen Literaturauszeichnungen erhalten. Er hatte eine hübsche Frau,
drei nette Kinder. Er hatte zahllose Affären, auch mit Männern. Aber er ist
zeitlebens ein einsamer Mensch geblieben, ein Alkoholiker, der nie mit dieser
Sucht zurande kam. Nach außen hin lebte er ein geordnetes, scheinbar
gutbürgerliches Leben. Unter diesem Deckel aber brodelte es.
»Der Schwimmer« enthält zwanzig Erzählungen. Das Leben in den gepflegten
Vorstädten der Ostküste. Hübsche Häuschen, hübsche Kinder, hübsche Frauen und
gut bezahlte Jobs in New York. Nette Partys, gute Drinks.
Nur wenn man genauer hinsieht:
»Es gab ein paar kleine Hinweise auf ungeordnete Verhältnisse. Zuerst lief der
Hund weg, dann die Katze.« Dann die Frau mit den Kindern »und als ich eines
Abends nach Hause kam, war Maureen, das Hausmädchen, stockbetrunken.« Allein im
großen Haus wird der Ehemann auch noch von einem Spanner beobachtet. Diese
Geschichte endet noch einmal tröstlich, fragt sich nur, wie lange. In einer
anderen Geschichte stellt ein Mann namens Blake, eigentlich nur aus Mitleid,
eine vom Leben benachteiligte junge Frau als Sekretärin an. Er hat eine kurze
Affäre mit ihr und feuert sie dann. Die verzweifelte Frau verfolgt ihn auf dem
Nachhauseweg vom Büro. Sie zwingt ihn mit einer Pistole auf die Knie. Und sagt:
»Das Gesicht in den Dreck«. Dann, abschließend, sagt sie noch: »ich wollte im
Leben doch nichts als ein bißchen Liebe«. Und verschwindet. »Er nahm seinen Hut,
der auf den Boden gefallen war, und ging nach Hause.«
In diesen Geschichten beschreibt Cheever die Menschen mit illusionsloser
Genauigkeit, oft entblößt er sie auf schon peinigende Art. Es sind häufig tief
traurige, aber immer schöne Geschichten. Aus eigener, leidvoller Erfahrung ist
John Cheever zum Menschenversteher geworden, und dadurch, vielleicht tröstlich
nur für uns, seine Leser, zu einem wirklich großen Schriftsteller. Sigrid
Lüdke-Haertel
Der Artikel erschien zuerst im
Strandgut - Stadtmagazin Frankfurt am Main.
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John Cheever
Der Schwimmer
Stories
Mit einem Nachwort von T.C. Boyle.
Aus dem Englischen von Thomas Gunkel.
DuMont Verlag, Köln 2009
351 Seiten
19,95 €
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