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Glanz&Elend Magazin für Literatur und Zeitkritik

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176 Seiten, die es in sich haben:
»Diese mühselige Arbeit an den Zügen des Menschlichen«
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Mit Texten von Hannah Ahrendt,
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Seitwert


Bodenlos gute Geschichten

Sigrid Lüdke-Haertel über John Cheevers Geschichtensammlung »Der Schwimmer«

Was gut ist, hält sich. Vor achtundzwanzig Jahren ist der amerikanische Erzähler John Cheever gestorben. Berühmt geworden war er mit seinen »Whapshot«-Geschichten, einer treuherzig skurrilen Familiensaga aus dem Osten der USA. Richtig vergessen wurde er, zum Glück, nie. Es gibt kaum einen seiner jüngeren Kollegen, der sich nicht auf ihn bezieht: Rick Moody, Dave Eggers, T.C. Boyle, Jonathan Franzen, selbst Updike, sie alle schwärmen von ihm.
»Der Schwimmer«, diese »Stories«, im Original 1978 erstmals erschienen, sind bei uns, neu übersetzt, im letzten Herbst herausgekommen. Keine Neuerscheinung also, aber eine wahre Wucht. Das Buch wiegt hunderte von Neuerscheinungen auf. Wer jetzt ohne den »Schwimmer« in den Urlaub fährt, sollte wenigstens wissen, daß er selbstverschuldet auf dem Trockenen sitzt.

»Ach, was soll man mit so einem Menschen anfangen?« – mit diesem Seufzer geht die Geschichte von einem Sommerurlaub in Laud’s Head, einer der Inseln vor Massachusetts, zu Ende. Die ganze Familie trifft sich dort ein letztes Mal, bis auf den Vater, der früh schon, als die vier Kinder noch klein waren, bei einem Segelunfall ertrunken ist. Auch Lawrence, der jüngste, ist nach langer Zeit erstmals wieder dabei. Die Beschreibung dieses Miesepeters, so subtil wie schonungslos, endet mit der Frage: was man mit so einem Menschen anfangen soll. Das letzte Wort ist damit aber nicht gesprochen. Denn es folgen noch die beiden Sätze: »Meine Frau und meine Schwester - Helen und Diana - waren schwimmen gegangen, und ich sah ihre unbedeckten Köpfe schwarz und golden im dunklen Wasser. Ich sah, wie die beiden aus dem Meer kamen, sah, daß sie nackt waren, unbefangen, schön und voller Anmut, und beobachtete, wie sie an Land wateten.«
In diesem (poetischen) Bild ist nicht nur die Schönheit des Ortes, der Situation usw. eingefangen, sondern, und das ist von geradezu irrwitziger Präzision, auch das Verdammungsurteil über Lawrence, den Jüngsten, gesprochen. Dieser Lawrence konnte und wollte nicht erkennen, daß sich noch einmal, vielleicht nur für einige Augenblicke, das Paradies geöffnet hatte, in dem sie einst als Kinder leben durften.
John Cheever hatte, angefangen mit dem Pulitzer-Preis, alle bedeutenden amerikanischen Literaturauszeichnungen erhalten. Er hatte eine hübsche Frau, drei nette Kinder. Er hatte zahllose Affären, auch mit Männern. Aber er ist zeitlebens ein einsamer Mensch geblieben, ein Alkoholiker, der nie mit dieser Sucht zurande kam. Nach außen hin lebte er ein geordnetes, scheinbar gutbürgerliches Leben. Unter diesem Deckel aber brodelte es.
»Der Schwimmer« enthält zwanzig Erzählungen. Das Leben in den gepflegten Vorstädten der Ostküste. Hübsche Häuschen, hübsche Kinder, hübsche Frauen und gut bezahlte Jobs in New York. Nette Partys, gute Drinks.
Nur wenn man genauer hinsieht:
»Es gab ein paar kleine Hinweise auf ungeordnete Verhältnisse. Zuerst lief der Hund weg, dann die Katze.« Dann die Frau mit den Kindern »und als ich eines Abends nach Hause kam, war Maureen, das Hausmädchen, stockbetrunken.« Allein im großen Haus wird der Ehemann auch noch von einem Spanner beobachtet. Diese Geschichte endet noch einmal tröstlich, fragt sich nur, wie lange. In einer anderen Geschichte stellt ein Mann namens Blake, eigentlich nur aus Mitleid, eine vom Leben benachteiligte junge Frau als Sekretärin an. Er hat eine kurze Affäre mit ihr und feuert sie dann. Die verzweifelte Frau verfolgt ihn auf dem Nachhauseweg vom Büro. Sie zwingt ihn mit einer Pistole auf die Knie. Und sagt: »Das Gesicht in den Dreck«. Dann, abschließend, sagt sie noch: »ich wollte im Leben doch nichts als ein bißchen Liebe«. Und verschwindet. »Er nahm seinen Hut, der auf den Boden gefallen war, und ging nach Hause.«
In diesen Geschichten beschreibt Cheever die Menschen mit illusionsloser Genauigkeit, oft entblößt er sie auf schon peinigende Art. Es sind häufig tief traurige, aber immer schöne Geschichten. Aus eigener, leidvoller Erfahrung ist John Cheever zum Menschenversteher geworden, und dadurch, vielleicht tröstlich nur für uns, seine Leser, zu einem wirklich großen Schriftsteller. Sigrid Lüdke-Haertel

Der Artikel erschien zuerst im Strandgut - Stadtmagazin Frankfurt am Main.
 

John Cheever
Der Schwimmer
Stories
Mit einem Nachwort von T.C. Boyle.
Aus dem Englischen von Thomas Gunkel.
DuMont Verlag, Köln 2009
351 Seiten
19,95 €

 


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