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Das Elend der Universitäten

Bildung als Tauschobjekt und Brutstätte der Ausbeutung, Verdinglichung des Bewusstseins mittels eingeschliffener Apparaturen der Betriebswirtschaft. Bildung nicht als Wert, sondern als Verwertungsprinzip; nicht als Idee eines lebendigen Geistes, sondern als opportunistisches Geschwätz.

Von Jürgen Nielsen-Sikora

Seit gut zehn Jahren bestimmt der Bologna-Prozess das europäische Hochschulwesen. In diesem Jahr soll das Vorhaben, einen einheitlich strukturierten europäischen Hochschulraum zu schaffen, einen vorläufigen Abschluss finden. Als Ziele werden seit Jahren die Förderung von Mobilität sowie von internationaler Wettbewerbs- und Beschäftigungsfähigkeit genannt. Die Umstellung auf Bachelor- und Masterstudiengänge und die Einführung eines vergleichbaren Leistungssystems sind gleichwohl die markantesten Veränderungen innerhalb der europäischen Hochschulen. Der Prozess, für dessen Umsetzung die nationalen Ministerien verantwortlich sind, wurde letztlich von allen europäischen Staaten mitgetragen, obwohl es sich bei den Übereinkünften der Bildungsminister keineswegs um eine rechtlich verbindliche Regelung handelt. Gegen die Folgen - qualitative Verschlechterung der Lehre und Förderung von Mainstream-Forschung im Zuge des Bologna-Prozesses - werden immer wieder Proteste laut. Zentraler Vorwurf aber ist die zunehmende Ökonomisierung der Bildungslandschaft. Demonstrationen, Universitätsbesetzungen und auch Streiks sind inzwischen an der Tagesordnung.

Der Diaphanes-Verlag bringt nun mit der Reihe „Unbedingte Universitäten“ Transparenz in die Debatte. Als Herausgeber fungiert ein Kollektiv Münchner Studentinnen und Studenten, entstanden aus der akademischen Protestbewegung. Die Bücher der Reihe fragen, warum sich die Staaten selbst verpflichtet haben, ihre Bildungsinstitutionen zu harmonisieren, obwohl nicht einmal eine einheitliche nationale, geschweige denn eine gesamteuropäische Bildungspolitik existiert. Die Kritik richtet sich deshalb gegen zahlreiche politische Maßnahmen, die im Zuge des Bologna-Prozesses eingeleitet wurden und aus den einstigen Universitäten Europas, den Freistätten des Geistes, Verwaltungseinheiten gezimmert haben, die mehr oder weniger wie große Unternehmen funktionieren – mit tausenden von Mitarbeitern, die teils in prekäre Arbeitsverhältnisse gebracht worden sind. Vor allem Nachwuchswissenschaftler sind zusehends von unterbezahlten und befristeten Verträgen betroffen. Vielen fehlen Perspektiven für die Zeit nach der auf zwölf Jahre begrenzten Anstellung an einer Hochschule.

Aber auch das Rektorat gleicht zusehends einer Chief Executive Office, die über ein millionenschweres Budget zu entscheiden hat. Die Professorenschaft musste die Umsetzung der Bologna-Ziele größtenteils aus dem Etat bestreiten, der ihr auch zuvor zur Verfügung stand. Und die Studierenden werden immer stärker in ein verschultes und von Credit-Punkten beherrschtes Ausbildungssystem gepresst, das zwar den Bildungsidealen einer hochkapitalistischen Warenwelt gerecht werden mag, doch alternative Denkansätze im Keim erstickt. Der Slogan, der dies verkaufen soll lautet: Exzellenz. Das mehr als umstrittene Leistungsprinzip wie auch der damit verbundene Zwang zur Mobilität macht restlos alle beteiligten Bewohner von Wissensräumen zur vagabundierenden Bildungsmasse.

Der Soziologe Ulrich Beck charakterisierte den Bologna-Prozess vor einiger Zeit als „McKinsey-Stalinismus“ und bescheinigte den Universitäten einen Willen zur Fast Education. In der Tat gewinnt man zusehends den Eindruck, Europa habe die Kolchosen wiederbelebt und kapitalisiert: Wettbewerbsbedingungen und Organisationsstrukturen diktieren die europäischen Staaten und Länder, alles andere ist kollektive Selbstverwaltung.

Im Zuge des Bologna-Prozesses ist aus der Gemeinschaft der Lernenden nur noch der Fetisch einer Corporate Identity übrig geblieben. Akkreditierungsanstalten und Hochschulräte haben die Herrschaft über den Geist der europäischen Universität erlangt. Gelernt wird nur noch im Hinblick auf die Verwertbarkeit von Wissen. Der Nürnberger Trichter dient dabei als Modell des Studienverlaufs: Man kippt oben alles hinein und schaut, was unten herauskommt und baut auf die Eigenverantwortung, neudeutsch: accountability, der Fakultäten.

Einer der bekanntesten Texte zum Elend der Hochschulen erschien bereits 1990. Im L´autre journal schrieb kein Geringerer als Gilles Deleuze: „Entscheidend ist, daß wir am Beginn von etwas Neuem stehen. Im Gefängnis-Regime: die Suche nach Ersatz-Strafen… und der Einsatz elektronischer Halsbänder… Im Schul-Regime: die Formen kontinuierlicher Kontrolle und die Einwirkung der permanenten Weiterbildung, dementsprechend die Preisgabe jeglicher Forschung an der Universität, die Einführung des Unternehmens auf allen Ebenen des Bildungs- und Ausbildungswesens… Beispiele, die verdeutlichen können, was unter Krise der Institutionen zu verstehen ist, nämlich der fortschreitende und gestreute Aufbau einer neuen Herrschaftsform.“

Profiteure dieses neuen Hegemonial-Systems sind in erster Linie die Hochschulverwaltungen. Sie wachsen stetig, wohingegen Forscherstellen, vor allem solche, die sich mit dem Prozess kritisch auseinandersetzen, vom bürokratischen Kader wenn nicht gestrichen, so doch zumindest kurz gehalten werden, weil sie dem Ethos des Gehorsams nicht Folge leisten. Ebenso betroffen sind die so genannten Orchideenfächer, da die Geisteswissenschaften nach Kriterien beurteilt werden, die ihrem Anliegen diametral entgegenstehen. Es greift eine regelrechte Exzellenzpanik (Haverkamp) um sich, getreu dem Motto: Forschung ist gut, Kontrolle ist besser. Rankings, Evaluationen und Losverfahren torpedieren zudem permanent die akademische Autonomie. Es bleibt am Ende nur noch die Macht der Akkreditierungsanstalten übrig: CHE – vor gar nicht allzu langer Zeit war dieses Kürzel für die Studentenbewegung ein Synonym des revolutionären Aufbruchs, heute ist es - paradigmatisch – gleichbedeutend mit den Machenschaften der Bertelsmann-GmbH. Das Centrum für Hochschulentwicklung in Gütersloh, gefürchtet ob seiner Rankings, wirbt als selbst ernannte „Reformwerkstatt“ für eine „entfesselte“ Universität. Wenn diese Idee in Anlehnung an die entfesselten Märkte formuliert worden ist, weiß im Grunde jeder, was passieren wird. Tatsächlich ist hier ein wahres Empire der Empirie und Evaluation entstanden, das eine Kommodifizierung des Geistes vorantreibt: Bildung als Tauschobjekt und Brutstätte der Ausbeutung, Verdinglichung des Bewusstseins mittels eingeschliffener Apparaturen der Betriebswirtschaft. Bildung nicht als Wert, sondern als Verwertungsprinzip; nicht als Idee eines lebendigen Geistes, sondern als opportunistisches Geschwätz. Keine Erneuerung der Lektüre mehr, sondern nur noch Bulimie-Lernen (Beck): Alles in sich hineinfressen, in Prüfungen wieder auskotzen und hoffen, damit durchzukommen. Kein Rauschen der Sprache mehr (Barthes) – nur noch das Geflüster aus der Kommandozentrale des Hochschulrates. Die nachvollziehbaren Anpassungsstörungen und gesundheitlichen Negativfolgen im Zuge von Dauerstress und Dauerdruck sind bis dato noch nicht einmal untersucht worden.

Wohin der Ausverkauf öffentlicher Güter führt, sahen wir dieser Tage in Griechenland, in den Kommunen und auch an den internationalen Börsen. Warum wir alle freiwillig mit daran arbeiten, nun auch eine der wichtigsten Säulen der Gesellschaft, die Bildung, dem Markt zu opfern, bleibt vorerst noch ein Rätsel. Es ist das Verdienst des Verlags und das der Münchner Studierenden, ein wenig Licht in dieses Dunkel gebracht zu haben.
 

Unbedingte Universitäten (Hg.)
Was ist Universität?

Texte und Positionen zu einer Idee

Reihe:
Unbedingte Universitäten
348 Seiten, Broschur
ISBN 978-3-03734-123-0
€ 17,50 / CHF 30,00


 


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