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»Die Wirklichkeit ist ein Käfig«
Die Romane des kroatischen
Underground-Autoren Edo Popović glänzen mit gnadenloser Offenheit und
sprachlicher Souveränität. Mit Edo Popović liest man zweifellos den
engagiertesten und lebendigsten Gegenwartsliteraten vom Balkan. »In den medizinischen Handbüchern stand ganz eindeutig geschrieben, dass die Infestation mit Krätze üblicherweise durch direkten persönlichen Kontakt übertragen wird, und ein persönlicher Kontakt wurde bei uns zu Hause nicht gepflegt.« Trockener, abgeklärter und aufgeräumter kann man ein zerrüttetes Familienleben kaum beschreiben, als es Ivan Kalda, der Antiheld in Edo Popovićs defätistischen Roman »Kalda« tut. In 40 Episoden blickt Kalda auf sein Leben zurück, dass, wenn es nach ihm gegangen wäre, gar nicht erst begonnen hätte. In dem retrospektiven Durchlauf seiner Biografie springt er zwischen naher und ferner Vergangenheit hin und her und verdichtet die scheinbar zufälligen Lebensstationen zu einem nihilistischen Schicksalsgewebe. Die einzelnen Teile wirken wie Bruchstücke einer Psychoanalyse, der sich Kalda in der erzählten Gegenwart des Romans auch tatsächlich stellt. Doch Dr. Galin scheint ihm weder über die einsam-selbständige Kindheit in Titos Jugoslawien, noch über die vorwiegend erfolglosen Annäherungsversuche an das weibliche Geschlecht in seiner Jugend hinweghelfen zu können. Die Gelegenheiten, die sich ihm bieten, überfallen ihn eher, als dass er sie beim Schopfe greift, oder streifen an ihm vorbei, weil er sich mit »Stalins Birne«, einem Mixgetränk aus Wodka und Optalin, in andere Welten geschossen hat.
Und auch über die
schicksalhafte Wiederholung der Biografie des eigenen Vaters, der seine Familie
verlassen hat und verschwunden ist, kann ihm Dr. Galin nicht hinweghelfen. Und
das, obwohl der Analytiker Kalda
»gelegentlich
derartig auseinandernahm, derartig tranchierte, dass ich nicht ganz sicher war,
ob sich diese Teile meiner selbst am Ende doch noch über so gewöhnliche Dinge
wie, ob man zuerst die Kupplung tritt und dann den Gang einlegt, oder welches
das Gas- und welches das Bremspedal ist, verständigen konnten.« Bei einer
Biografie, wie sie Kalda besitzt, kann ein solches Tranchieren lebensbedrohlich
sein, so dass es nicht verwunderlich ist, dass Kalda mitten im Roman die
Therapie abbricht. Von seinen Erlebnissen als Kriegsfotograf auf dem Balkan der
neunziger Jahre erzählt er am Ende seines Romans in eindringlichen Bildern nur
dem Leser.
Was bleibt, ist die
Verbitterung eines gealterten Jünglings, der seinen verpassten Lebenschancen
lethargisch hinterherschaut. Gleich neben dem Pfad der Lethargie verläuft der
Strom des Sarkasmus, in den sich der Erzähler immer mal wieder hineinfallen und
von ihm treiben lässt. Dies geschieht aber nicht in plumpen und billigen
Wendungen, sondern mit einer sprachlichen Souveränität, die von großem Können
spricht. Popović schafft nicht einfach irgendwelche Bilder, sondern die von
höchster Schärfe und Emphase.
»Es
gibt da oben einen Sadisten, der sich weidlich auf unsere Kosten amüsiert. Er
schickt uns eine Hornisse ins Auto, während wir gerade einen Tankwagen überholen
und uns ein lichthupender Betonmischer entgegenrast.« Sätzen wie diesem gibt es
nichts mehr hinzuzufügen. Das literarische Modell der Rekonstruktion wendet Popović auch in seinem neuen Roman »Die Spieler« an. Popovićs Spieler sind Kroatiens machthungrige, egoistische und vor keinem mafiösen Deal zurückschreckenden Eliten – Politiker, Beamte und Redakteure, deren Wurzeln tief in den Schlamm des Verbrechens reichen. Sie sind verstrickt in ein Verbrechen im Zagreber Rotlichtmilieu, dessen Tathergang der kroatische Autor mit verschiedenen Stimmen rekonstruiert. Auch hier webt Edo Popović erneut aus vielen Einzelteilen einen erzählerischen Teppich, der von der gesellschaftlichen Realität im heutigen Kroatien erzählt. »Die Wirklichkeit ist ein sehr starkes Halluzinogen. Und wenn sie Euch einmal packt, dann hält sie euch ein Leben lang fest.« Das erinnert sehr an den Käfig der Wirklichkeit, von dem in »Kalda« die Rede war. Diese Parallelität macht deutlich, mit was sich Gegenwartsautoren wie Popović in ihrer Heimat auseinandersetzen – mit der unfassbaren Wirklichkeit ihres Landes. »Die Spieler« ist Untergrund-, Mafia-, Polit- und Skandalroman in einem. Zu Beginn des Romans steht der Journalist Boris Elazar im Mittelpunkt. Er hat das unzweifelhafte Pech, vom unfreiwilligen Leiter der Abteilung für Kulturterrorismus (Akulter) Mladen Folo auserwählt worden zu sein, als islamischer Terrorist herhalten zu müssen. Das Innenministerium braucht einen Fall, um dem Westen seine Treue im Kampf gegen den weltweiten Islamismus zu beweisen. Folo, eigentlich ein hoch gebildeter Philologe, der aus dem Stehgreif Plato und Marc Aurel zu zitieren weiß und nur versehentlich in der Abteilung für Kulturterrorismus statt im Kulturministerium gelandet ist, erdichtet ein Komplott um Elazar. Er lanciert sein Terrorismusmärchen in die Presse und das Spiel nimmt seinen Lauf. Zugleich wird eine ukrainische Einwanderin in einem Bordell und wenig später eine Größe aus dem Zagreber Untergrund ermordet, der in Aufruhr gerät und in dem ein Gerangel um Positionen und Machtoptionen beginnt. All das und mehr verbindet Popović zu einem spannenden Road-Movie in Buchform. Alles Gute und Hoffnungsvolle in »Die Spieler« wird strikt gemieden, es kommt schlichtweg nicht vor. Migrantinnen erwarten nichts weiter, als ausgebeutet und missbraucht zu werden, Journalisten wollen nicht aufklären, sondern Teil des Systems werden und der Politapparat genügt sich selbst. Am ehrlichsten scheinen noch die Verbrecher zu sein, die keinen Hehl aus ihrem Ansinnen machen. Das Ziel in diesem geschlossenen System der Missgunst, Korruption und Täuschung ist nicht, es aufzulösen, sondern mitzuspielen und Spielführer zu werden. »So ist dieses Land“, schreibt Popović am Ende seines Romans. »Inzestuös bis zu den Eiern … Wenn ihr euch nur ein wenig geduldet, bekommt ihr bestimmt auch irgendwann eure fünf Minuten Ruhm. Keine Sorge, ihr werdet euch schon irgendwie in die Regierung einschleichen, in irgendeinen Aufsichtsrat oder zumindest ins Parlament. Oder ihr könnt euch damit rühmen, dass ihr irgendwann einmal die Finanzministerin gefickt habt. Oder dass im Tuškanac [ein Park in Zagreb, A.d.A.] einmal der Justizminister mit aufgerissenem Mantel vor euch aus dem Gebüsch sprang. Oder dass euch der Erzbischof im Religionsunterricht befummelt hat.«
Popović zeigt seinen
Lesern in seinen Romanen ein völlig anderes Bild des freien und unabhängigen
Kroatien, als das im Westen von Urlaubspostkarten verbreitete. Kroatien ist
nicht
»das
Mädchen mit den festen Brüsten, den dunkelblauen Augen wie … die Adria?, mit
glatter Haut in der Farbe von … etwa dem Honig aus Velebit?, sondern da steht
eine mit runzeliger Haut und schlaffen Titten, die dreizehn Jahrhunderte und ein
paar Zerquetschte alt sind, und dann sind da noch diese Augen … radioaktiv
verseuchte Seen, über denen schmutzig-gelbe Nebelschwaden wabern.« |
Edo Popović |
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