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© R. Reifenrath |
Perplex – Manesse bringt einen der großen Romane Joseph Conrads, den in einem fiktiven Staat Lateinamerikas spielenden »Nostromo«, in der Neuübersetzung von Julian & Gisbert Haefs heraus. Gute Gelegenheit für eine Rezension, dachte ich, den einzigen seiner Romane, dessen Lektüre ich abgebrochen hatte, endlich ganz zu lesen. Dazu hatte ich ihn ja beim Umzug vor mehr als vier Jahren als einzigen Band der schönen kanariengelben Conrad-Ausgabe von S.Fischer mitgenommen, aber nicht mehr angerührt. Die Selbst-Verpflichtung zur Rezension sollte das ändern.
Als ich jetzt, zum
Vergleich der Übersetzungen, den alten mit dem neuen deutschen »Nostromo«
vergleichen wollte, stellte ich zu meinem nicht geringen Erstaunen fest, dass
ich den Roman im alten S.Fischer-Band – wohl zwischen 1970 & 1990 - nicht nur
ganz gelesen, sondern ausgewiesen durch die vielen handschriftlichen
Bleistift-Anmerkungen & -kommentare, quasi »durchgearbeitet« haben muss. Aber
nichts davon ist in meinem heutigen Gedächtnis geblieben. Das »Favoritbuero München« jedenfalls, das für das Cover der Neuausgabe bei Manesse zuständig ist, hat es fertig gebracht, das scheußlichste Cover in die Welt zu setzen, das ich je auf einem deutschen Buch gesehen habe: farblich wie typografisch eine Katastrophe! Das werde ich nicht vergessen. * Contes de fées –Nachdem nun voraussichtlich Kamala Harris gegen Donald Trump antritt, könnte der US-Wahlkampf die Metapher eines Jean Cocteau-Films annehmen: »La Belle et la Bete«. Aber Trump ist nicht Jean Marais, der mit ihm einzig eine ähnelnde Haartolle über der Stirn teilt & wenn beide auch in »Mantel & Degen-Stücken« auftreten, spielt der Franzose regelmäßig den goodie & Trump ebenso regelmäßig den baddy. Er wird schon dafür sorgen, dass aus dem Wahl-Kampf um den höchsten Posten der USA kein Märchen wird, mag auch im Blick auf die beiden zutreffen, was die französische Contes de fées ausspricht: die Schöne & das Biest, bzw. die ehem. Staatsanwältin & der verurteilte Steuerbetrüger. Sollte der Wahlkampf dennoch mit dem Sieg der ersten schwarzen Frau auf dem Posten des US-Präsidenten ausgehen, wäre das zwar auch märchenhaft, aber nicht wie bei Cocteau, wo am Ende aus der Bestie ein Prinz wird. * Iranischer Frauen-Mut – Der iranische Film, wie wir ihn seit Kiarostamis Oeuvre (1988/2002) in immer neuen Formen & mit immer neuen Regisseuren, Schauspielern etc. kontinuierlich über mehr als ein Vierteljahrhundert hin kennenlernen konnten, ist ein solitäres Ereignis unter den Filmproduktionen, die je in diktatorischen Staaten entstanden. Selbstverständlich kennen wir nicht die staatlich geförderte, also erwünschte iranische Film-(& TV) Produktion. Denn das, was den Weltruf & -Ruhm des iranischen Films sowohl auf Festivals als auch z.B. in unseren Programm-Kinos begründet, sind sozial-kritische Filme, die sich immer entschiedener, will sagen: offen erkennbarer gegen den religiös-autokratischen Staat & seine Macht-Mittel wie z.B. Militär, Polizei, Justiz oder Überwachung, Denunziation, Korruption erklären. Selbstverständlich wurde der iranische Film, den wir »im Westen« kennen, nicht staatlich gefördert oder finanziell unterstützt. Meistens entstanden die Filme, die wir kennen, als Koproduktionen mit Firmen außerhalb des Iran. Ihre Protagonisten wurden verhaftet & oder mit Berufsverbot belegt & der Pass entzogen, so dass sie nicht legal ausreisen konnten. Alle diese Repressionen haben gewiss zwar die Produktion schwieriger gemacht, aber nicht zum Erliegen gebracht. Im Gegenteil. Das Regime ist klug genug, die kontinuierliche Existenz & fortdauernde Blüte einer oppositionellen Filmproduktion (contra legem) hinzunehmen, solange die illegal im Land entstandenen Filme nur im ausländischen Kino bleiben. Vermutlich aber werden sie auch, wie andere ausländische Filme, klandestin als DVDs in metropolitanen Kreisen des Landes vertrieben – so dass die herausragenden Protagonisten des uns bekannten iranischen Films in oppositionellen kulturellen Kreisen iranischer Großstädte, natürlich speziell Teherans, bekannt sind (Jafar Panahis »Taxi Teheran«, 2015, erzählt davon). Es sieht aber so aus, als habe der Massenprotest junger iranischer Frauen (2022/23), den das Regime der Mullahs mit Sittenpolizei & Revolutionswächtern niedergeschlagen hat, auch den oppositionellen Film ermutigt, noch offener, noch konkreter seine Kritik zu formulieren. Was Filme wie »Irdische Verse« oder »Ein kleines Stück vom Kuchen« auf je eigene ästhetische Art über die alltäglichen Lebensverhältnisse im derzeitigen Iran erzählen, ist von erstaunlich präziser, subtil-detaillierter & zugleich umfassender Stringenz. Wie weitreichend die inneriranische Wahrnehmung & Kenntnis des oppositionellen Films im Iran ist, wissen wir nicht, man kann es auch spekulativ nicht ahnen. Allerdings dürften im Westen die Zahl seiner Kenner & Liebhaber ebenso beschränkt sein – und zwar im Wesentlichen auf die ältere Generation von Cineasten der 68iger et al., die Programm-Kinos in den Großstädten besuchen. Also: hier wie dort: Nischenwahrnehmung der »Happy few«, auf die schon zu seiner Zeit Stendhal als seinem Publikum gesetzt hatte. * Fraglos – Jeder kennt aus dem Internet, z.B. bei Google, die Aufforderung, wegen der Cookies entweder »Alle akzeptieren« oder »Alle ablehnen«. Es gibt sogar Fälle, bei denen es mehrere Alternativen fürs »erlauben« gibt. Am Anfang fungierte das als Zugangsschranke. Wahrscheinlich tippen heute fast alle ohne noch zu zögern auf »akzeptieren« oder »erlauben«, um möglichst schnell Zugang zu ihrer Wunscherfüllung zu erhalten. Neulich habe ich mal (bei Google) auf »Alle ablehnen« getippt – und stellte fest, dass diese totale Verweigerung eines erwünschten Wohl-Verhaltens absolut folgenlos blieb & ich fortfahren konnte, als hätte ich »Alles akzeptiert« gewählt. Jetzt frage ich mich, was diese Wahlfreiheit für einen Sinn hat, wenn sie für den Wählenden, wie immer er sich entscheidet, folgenlos bleibt. Es könnte sein, dass die Zahl derer, die »Alles akzeptieren«, so überwältigend groß ist, dass die wenigen, die »Alles ablehnen«, nicht ins Gewicht fallen & man sie einfach »durchwinkt«. Das hieße, als Zugangsschranke wirkt diese Wahlmöglichkeit nicht mehr. Aber immer noch als Schranke, die dem Interessenten eine Entscheidung abverlangt, damit er sieht, dass er nicht einfach wie durch eine offene Tür Zutritt hat, sondern gewissermaßen Schellen muss, damit ihm geöffnet werde. Zugleich ist der Eintretende aber durch sein Verhalten an der Schwelle charakterisiert – entweder als vertrauensseliger oder abweisend-misstrauischer Typus. * Wespen-Täuschung – Wie gerne träumt man doch von einer glücklichen Kommunikation zwischen Tier & Mensch – ich meine jenseits der Verbindungen Mensch-Hund/Katze/Pferd! Was wäre es doch ein Wunder, wenn man mit Insekten wie Bienen, Hummeln oder gar Wespen »freundschaftlich« verkehren würde, ihre Anwesenheit auf Hand & Arm nicht nur duldete, sondern auch diese Landeflächen der Kleinflieger-Insekten nach deren Landung nicht mehr bewegte, um sie nicht zu erschrecken & zum fluchtartigen Abflug zu motivieren. Wenn wir im Sommer mittags oder abends zum Essen auf dem Balkon sitzen, stellen sich reelmäßig erst eine, später dann bis zu drei Wespen ein. Sie machen anfangs gar nicht den Eindruck, als witterten sie Beute, sondern eher sieht ihr zielloses Fliegen so aus, als observierten sie (wie Drohnen) das Gelände. Eine von ihnen erweckt durch ihr schwankendes Herumgestolpere auf dem Tisch den Eindruck, als sei sie betrunken, jedenfalls zählt sie zu den Behinderten unter »unseren« Wespen. Gestern aber setzte sich eine nicht auf den Wurstteller, um sich ein winziges Stückchen aus dem Rand zu beißen & mit ihm wohin auch immer weg zu schwirren, sondern landete auf meiner ausgestreckten Hand. Ebenso mutig wie stolz ließ ich die wegen ihrer Stichhaftigkeit gefürchtete unbeliebte Kämpferin wie eine harmlose Fliege über meine Hand laufen, ohne mich zu rühren. Sie steuerte bald eine Stelle auf dem Mittelfinger an, wo die Haut dem Fingernagel entgegenwächst. Und da spürte ich mit einem kleinen Erstaunen, wo nicht gar Entzücken, dass sie mir dort in die Haut biss. Ein seltsames Kribbeln entstand vor meinen Augen durch die Wespe, die nicht daran dachte, mich zu stechen, (weil ich sie gewähren hatte lassen?), sondern mit ihrem sanften Knabbern an einer Stelle meiner Haut, an der sie Gefallen gefunden hatte, fündig geworden war- ohne dass sie dort, wie gewöhnlich, Süßes erspürt gehabt hätte!
Von einer Wespe zart
angeknabbert zu werden: was für ein exzentrisches Ereignis. Und ich kann (mir)
sagen, dabei (das Opfer) gewesen zu sein - wie ich erst am späten Abend
bemerkte, als ich an meinem Mittelfinger neben dem Übergang von Nagel zur Haut
winzige getrocknete Blutflecken entdeckte. |
»Petits
riens«, |
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