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Glanz&Elend Magazin für Literatur und Zeitkritik

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Glanz&Elend - Die Zeitschrift
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Martin Brandes

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Seitwert


Mit und ohne Hut

Clint Eastwoods Geburtstag ist zwar schon wieder ein paar Tage her, aber dieser kleine Text nach wie vor aktuell.

Von Joe Bauer

Es war kurz vor der Fußballweltmeisterschaft 2010. Die Saison der Stuttgarter Kickers ging dem Ende zu, es war nicht unsere beste Saison, und ich hatte wenig Skrupel, das letzte Spiel zu schwänzen. Es gab Wichtigeres zu tun. Am 31. Mai feierte Clint Eastwood seinen 80. Geburtstag, da gab es einiges zu klären, und keiner weiß, ob er am Mittag noch lebt, wenn er sich am Morgen Clint Eastwood vornimmt.

In Schwäbisch Gmünd, der paramilitärischen Ausbildungsstätte des Stuttgarter Oberbürgermeisters, wo ich hin und wieder zur Schule ging, wenn ich Zeit hatte, gab es ein Kino namens Pali. In diesem Filmpalast, einem schönen Schmuddelkino an der Ecke, liefen nur Western, und ich zweifle heute nicht daran, dass ich Clint Eastwood dort zum ersten Mal begegnet bin.

Es muss 1969 gewesen sein. Clint Eastwood war 39, ich fünfzehn und damit noch nicht berechtigt, in die entscheidenden Filme zu gehen. Sie hießen "Für eine Handvoll Dollar", "Für ein paar Dollar mehr" und vor allem "Zwei glorreiche Halunken" - der amerikanische Titel lautet weniger blöd "The Good, the Bad and the Ugly".

Diese Trilogie hat der Italiener Sergio Leone in den sechziger Jahren gedreht. Bald danach war ich in der Lage, eine dünne Zigarre vom linken in den rechten Mundwinkel zu rollen, ohne die Finger zur Hilfe zu nehmen. Das hat mich etwas sechs Chemiestunden und zwölf Einträge ins Klassenbuch gekostet. Wenn man Clint Eastwoods Zigarren-Technik beherrschte und wie Clint auch mit der Gesichtshaut unter dem Auge zucken konnte, kam man daher wie ein Mann und durfte Filme anschauen, die erst ab 16 oder 18 freigegeben waren. Der Kinobesitzer nahm das nicht so genau, es gab bei uns nicht viele glorreiche Halunken, die Clint-Eastwood-Filme sehen wollten.

Hätte sich unser Oberbürgermeister, er ist nur fünf Jahre älter als ich, in Schwäbisch Gmünd Clint-Eastwood-Filme angeschaut, hätte er heute vielleicht ein wenig Ehre im Leib. Lieber aber hat er sich für die örtliche Kirchenmusik starkgemacht - was nicht verwerflich wäre, hätte er nicht auf diese Art versucht, sich bei Gott einschzuleimen, weil er wusste: Eines Tages werde ich für ein paar Milliarden Dollar mehr eine Kathedrale namens Bonatz-Bau zerstören.

Es waren große Stunden im Pali, als Clint Eastwood zwischen den Fronten ritt, zwischen Korruption und Geldgier, um für Gerechtigkeit zu kämpfen. Clint Eastwood hat so gut wie nie geredet. Seine Kanonen sagten genug, und sein Gesicht sprach Bände. Er beherrschte, so sagte sein Regisseur Leone, zwei Gesichtsausdrücke wie kein Zweiter: einen MIT, einen OHNE Hut.

Es gibt Menschen, die sehen mit und ohne Hut gleich vielsagend aus. Dazu gehört der Oberbürgermeister von Stuttgart. Er hat seit Jahren nichts mehr gesagt, nur hin und wieder aus der Deckung heraus seine Gegner beleidigt. Als Clint Eastwood achtzig wurde, wollte ich der Stadt ins Gesicht sehen. Ich durchwühlte das Zeitungsarchiv. Aber ich konnte nicht viel finden über die Arbeit des Oberbürgermeisters. Kurz zuvor hatte er das Schweinemuseum im ehemaligen Schlachthof eröffnet. Dieser historische Auftritt ist allen aufgrund seiner einzigartigen Begabung als Redner in Erinnerung geblieben: Der Oberbürgermeister las den Namen seines Gastgebers sichtbar vom Zettel ab – allerdings falsch.

Ein depressives Grunzen im Publikum vernimmt man nicht nur bei seinen Staatsreden im Schweinemuseum. Als er bei einer Festivität auf der Baustelle der sogenannten Bibliothek 21 hinter dem Bonatz-Bahnhof auftrat, sprach er erregt vom "Spatenstich". Ein Sonnenstich kann's nicht gewesen sein. Es war noch kalt und Richtfest.

Oft, wenn ich im Pali saß, hat Clint Eastwood minutenlang kein Wort gesagt. Und dann ist ein Mann umgefallen. Der Mann war tot. Später, als ich in Stuttgart war und der Oberbürgermeister wieder zurück aus Schwäbisch Gmünd, hat der Oberbürgermeister oft eine ganz Stunde lang geredet. Und dann sind tausend Männer und Frauen umgefallen. Sie waren eingeschlafen.

Den Kern seiner Redekunst führte uns der Oberbürgermeister ebenfalls im Sommer 2010 vor. Es war ein harter, heißer Sommer. Da überreichte der amtierende Oberbürgermeister der amtierenden "Miss America" in Stuttgart einen Bildband. Da sprang er über seinen Schatten. Denn jeder Schnappschuss einer Klick-Klack-Kamera sagt mehr als eine einstündige Ansprache des Oberbürgermeisters. Ganz egal, welcher Ghostwriter oder Geisterbahnschreiber des Rathauses sie verbrochen hat.

Glauben Sie nicht, meine Damen und Herren, es habe keine Bedeutung, wenn ein Politiker nichts mehr sagt, wenn seine Saison zu Ende geht. Wenn ein Riss durch die Stadt geht, dann hat das mit der Unfähigkeit der Politiker zu tun, den Menschen im richtigen Moment etwas Richtiges zu sagen. Schweigen verstört. Schweigen provoziert.

Für die große Kunst aber, etwas zu sagen, ohne zu reden, braucht man ein Gesicht. Das weiß jeder gute Hut, und jetzt wissen Sie, warum der Oberbürgermeister keinen trägt.

 

Männer im Zug
Eine kurze Geschichte von Joe Bauer

»Es war vor Fulda, als sie einstiegen. Ich saß im Zug auf dem Weg nach Stuttgart. Ich kann mir immer nur Fulda merken. In Fulda gibt es den Slogan »ideal zentral«. Damit meint Fulda sich selbst.«


Der Reisemuffel
Eine Glosse von Joe Bauer
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»Die meisten Leute haben die Tage schnell verdrängt, als Islands Asche um die Welt flog und den Himmel zur Hölle machte. Der Vulkan Eyjafjallajökull spuckte auf die Marketing-Botschaft, Reisen sei für Menschen ein Kulturgut.«
Herzlichen Glückwunsch zu über 750 Depeschen in Joe Bauers Flaneursalon

Am Neckar
Eine kurze Geschichte von Joe Bauer

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»Mit der Linie 2 fuhr ich am Morgen einige Stationen weiter als üblich durch Stuttgart und stieg erst in der Mercedesstraße aus. Nicht weil ich verschlafen hatte. Ich musste nach Bad Cannstatt, die Hochwasserlage prüfen. Hochwasserlage, hatten sie im Fernsehen gesagt, Hochwasserlage, wie Hanglage. Bald würde es wieder regnen. Das war gefährlich.
Als ich von der Brücke aus die Brühe unter mir sah, wurde mir schlecht.«

Die WM-Kolumnen
Des Teufels Haufen
Eine kurze Fußballgeschichte
Von Joe Bauer
»
Das Hupkonzert ist der Swingerclub der Eierlosen.«

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Deutschland - Voll Schland
Von Joe Bauer
»Man muss wirklich Deutscher sein, um einen unsingbaren, einsilbigen Sch . . .-Laut als Hymne zu wählen. (...) Schön wäre doch, wie die englische Zeitung 'The Guardian' mit den Sex Pistols zu singen: 'Never Mind The Ballacks'.«
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Chips gehören in die Tüte
Von Joe Bauer
Warum technische Hilfsmittel bei Schiedsrichterentscheidungen
eine Katastrophe wären.
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